Wien/Warschau - Der polnische marxistische Philosoph Adam Schaff ist im 94. Lebensjahr gestorben. Wie seine Nichte Anna Seniow-Augustynowicz am Dienstag in einer E-Mail mitteilte, verstarb er bereits am Sonntag (12. November) in Warschau. Schaff galt zunächst als Ideologe der kommunistischen Partei, wandte sich später jedoch einem menschlichen Marxismus zu und wurde aus der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei ausgeschlossen. Er lebte zeitweise in Wien.

Schaff war zunächst Mitglied des Zentralkomitees der polnischen KP und gehörte der Polnischen Akademie der Wissenschaften an. Der 1913 geborene Philosoph stellte sich nach einem Bericht der polnischen Zeitung "Gazeta Wyborcza" gegen die Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc. Er habe den früheren polnischen Staatschef General Wojciech Jaruzelski, der 1981 als Vorsitzender des Staatsrates das Kriegsrecht ausrief, für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.

Werk

Seine spätere Kritik an den kommunistischen Diktaturen des Ostblock brachte ihm 1984 den Ausschluss aus der Partei ein, nachdem er schon 1968 aus dem Zentralkomitee verbannt worden war. Zu den Werken des polnischen Philosophen gehören "Einführung in die Theorie des Marxismus", "Marxismus und das menschliche Individuum" sowie "Marxismus und Existenzialismus".

Kapitalismus muss abgelöst werden

Die Probleme Massenarbeitslosigkeit, Armut und Hunger, unter denen die Welt zu leiden hat, könnten von der kapitalistischen Gesellschaft nicht gelöst werden, sagte Schaff anlässlich seines 85. Geburtstages 1998. "Die Welt kann nicht weiter so existieren. An die Stelle des Kapitalismus muss eine wirksamere Ordnung treten, die Elemente einer globalen Planung enthält." Er rechnete damals für die nächsten Jahrzehnte mit weitgehenden Systemänderungen in den Industriestaaten und vor allem in den USA. Eine parteiübergreifende "neue Linke" solle die Wende vorbereiten. Er fühle sich ein wenig wie der Don Quijote des Sozialismus, meinte er selbst.

Leben

Schaff wurde in Lemberg (Lviv) als Sohn eines jüdischen Anwalts geboren. Als 19-jähriger schloss er sich einer illegalen marxistischen Studentengruppe an. Nach Kriegsausbruch 1939 flüchtete der Volkswirtschaftler vor den Nazis in die Sowjetunion. Nach dem Krieg bekam er einen Lehrstuhl für Philosophie in der polnischen Stadt Lodz und anschließend in Warschau. Als Befürworter einer Liberalisierung wurde er 1968 als "jüdischer Revisionist" aus dem Zentralkomitee geworfen.

Mit Lehrverbot in seiner Heimat belegt, ging Schaff für mehrere Jahre als Gastprofessor nach Wien, behielt aber seinen Wohnsitz in Warschau. Nach Angaben seiner Nichte starb Schaff zu Hause im Beisein seiner zweiten Frau nach zweijähriger schwerer Krankheit. (APA)