Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP/Francois Mori
Beaujolais-Nouveau-Partys am dritten Novemberdonnerstag waren Ende der 1970er aus dem heimischen Lokal-Geschehen nicht wegzudenken. Dem roten "Fruchtler" aus der Gamay-Traube konnte man in diesen Hoch-Zeiten allein aufgrund seiner Präsentation eine gewisse "Hipness" nicht absprechen. Das hat sich geändert. Das Image des Beaujolais fiel selbst beim Vorstadt-Branntweiner, egal wo in Europa, ins Bodenlose. Der Markt verlagerte sich zu einem dankbareren Publikum: In Japan zum Beispiel wird nicht lange gefragt, man schätzt das, was er ist - leicht zu verstehen und durchaus süffig.

Die verständliche Lust auf Frischwein kann natürlich auch aus heimischen Beständen gedeckt werden: Es gibt aromatische Rebsorten wie Müller-Thurgau, Muskat Ottonel oder auch Grünen Veltliner der leichteren Art, die sich schon im November in die Flasche bringen lassen. Junge Österreicher wie Junker, Primus Pannonikus, Junge Wiener und Co haben jedenfalls erfolgreich den Platz des Leicht-Roten aus dem Süden Burgunds in den Regalen eingenommen. Technisch gesehen, sind sie aus Rebsorten, die früh bis mittelspät reifen und als trockene Weine meist nicht allzu nachhaltig sind. Vinifziert werden sie rasch, auch mit Unterstützung (legaler) Hilfsmittel bei Klärung und Gärung wie etwa einer speziellen Hefeart, die Aromaverbindungen früher als "normal" aufbricht. Dadurch duften diese Jungweine sehr bald und intensiv nach frischen grünen Äpfeln oder Birnen. Beim Beaujolais werden ganze, verpflichtend per Hand geerntete Trauben in einem geschlossenen Tanksystem verarbeitet (Macération carbonique). Rebsorte und Verarbeitungsweise ergeben fruchtige Rote, die an Erdbeeren, Himbeeren, Rote und Schwarze Ribisel erinnern und nicht allzu viel Säure oder Tannin haben.

Natürlich kam man hier zu Lande nicht erst Mitte der 1990er drauf, dass Müller Thurgau & Co verwertet gehören. Während man sie früher im Heurigen ausschenkte, vermarktet man sie heute auch flächendeckend über Großevents. Sie werden ihren wichtigsten Rollen dabei durchaus gerecht, nämlich früh Geld in die Betriebe zu bringen und eine Art Überbrückungshilfe bis zum Verkauf der Masse des neuen Jahrgangs zu sein - sowohl für den Winzer als auch für neugierige Konsumenten.

Auch Beaujolais wurde übrigens bis in die 1960er-Jahre vor allem in den "bouchons", den Lokalen von Lyon und Umgebung, getrunken. Als in den 1970ern die Mengen in die Höhe geschraubt wurden, konnte die ganze Welt damit beliefert werden - et voilà! Heute bemüht man sich nach Qualitätsproblemen und einem "Pansch"-Skandal wieder um verlässliche Qualität. (Ein Betrieb wurde wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 30.000 € verurteilt, nachdem 200.000 Liter Wein nicht nach den Regeln der Appellation (AOC) verschnitten, jedoch AOC-gemäß etikettiert wurden. Bestraft wurde der Produzent, der dies auch akzeptierte, obwohl nicht der Erzeuger, sondern ein Angestellter der Anlage, wo verschnitten wurde, dafür verantwortlich war. Die Weine gelangten nie in den Handel.")

Der Jahrgang 2006 soll ähnlich gut sein wie der hoch gelobte 2005er. Unter dem schlechten Image des Beaujolais nouveau litten auch die "Beaujolais Villages"- und "Cru"-Weine wie Fleurie, Moulin-à-Vent, Morgon, Juliénas oder Chiroubles aus den nördlichen granithältigen Hanglagen des Gebiets, die höheren Ansprüchen genügen als rot-fruchtig, lustig und von Mitte November bis Ostern trinkbar zu sein. Rotweine dieser Art widersprechen genau dem, was der Zeitgeist als "rot und gut" predigt, passen aber hervorragend zu Salami und Co, zu Eintopf oder zu so manchem Fischgericht.

Von wirklich coolen Weinfreaks wird natürlich erwartet, dass sie Jungweinen mit Verachtung begegnen. Aber was spricht dagegen, sie so nehmen, wie sie sind: unkompliziert, leicht und fruchtig. Dass ihre Pracht enden wollend ist, sollte verschmerzbar sein - sie kommen ohnehin bald wieder. (Luzia Schrampf, Ergänzte Online-Fassung eines Artikels aus DER STANDARD/RONDO - Printausgabe, 17. November 2006)