Hey Willpower: "P.D.A" (Tomlab 2006)

Indie vs. Pop, Gitarre vs. Synthi, Bruder vs. Schwester: So altmodisch das klingt, so bestimmend können diese alten Dichotomien immer noch wirken. Dass die Band "Hey Willpower!" überhaupt existiert und mit ihr das glitzernde Debüt "P.D.A" ist jedenfalls der passionierten Überwindung dieser Grabenkämpfe geschuldet, glaubt man der Selbstbeschreibung der Band. Was aber noch viel wichtiger ist: Es ist auch zu hören.

Treibender Kopf hinter "Hey Willpower!" ist Will Schwartz, in unseren Breitengraden vielleicht als Mitglied der US-amerikanischen Indie-Pop-Band "Imperial Teen" bekannt. Der Mann mit dem Sinn für fabelhafte Bandnamen musste in den 1980ern Michael Jackson und Wham hinter sich lassen, um beim System Indie anzuheuern. Was in seiner Fan- und Musikerkarriere folgte, war die Verbannung von Poppathos, Soul und der Step auf dem Dancefloor.

Mutmaßungen, dass Schwartz diese folgenschwere Trennung nie so wirklich überwinden konnte, sind vielleicht angebracht, doch bedarf es eigentlich gar keiner neunmalklugen Psychologisierungen, wenn ja klar ist, dass sich die Ausgangslage zum Musikmachen in den letzten 20 Jahren grundlegend verändert hat. Nicht umsonst beschreibt Schwartz sein Dance-Projekt als "postmodern".

Fällt das nun im Jahr 2006 unter redundante Information? Ja und nein. Zum einen bestehen natürlich fast alle aktuellen Dancepop-Projekte aus Fusionen und Puzzles verschiedenster Genres, zum anderen ist bei der Auswahl von Schwartz und seinem Partner Tomo wirklich einmal etwas anders gelaufen. "P.D.A" zeigt eine Autorenschaft, die über die geschickte Auswahl von Sounds hinausgeht und sich sowohl im Songwriting als auch im Gesangsstil niederlässt. Die Stücke schwanken hin und her zwischen abgespecktem Charts-R’n’B und DIY-Electronic, zwischen kühlem Sprechgesang und heiserem Falsett. Dazwischen ziehen die Streicher und tuckern die Bässe und preisen die Stimmenchöre.

Als ich "P.D.A" zum ersten Mal hörte, kam es mir so vor, als ob der Geist des jungen Green Gartside durch die Platte wehen würde, wohl hauptsächlich wegen der zärtelnden Stimme von Schwartz, die mit einer ähnlichen Verletzlichkeit und Anti-Authentizität ausgestattet ist wie die des Sängers von Scritti Politti. Jetzt höre ich den Stil nur mehr vereinzelt, dafür staune ich über den sauber gewaschenen Rhythm and Blues und die gefühligen Texte und die zur Schau gestellte Harmlosigkeit ... Batsch, batsch, batsch und liebe Grüße an die Schwester! (freu)