Wien – Zehn Jahre später hatte Naju aus Bangladesch eine Fabrik für Plastikschnüre mit 25 Angestellten. Der niederländische Filmemacher Mark Aardenburg hatte Naju kennen gelernt, als er den Mikrokredit gerade erst bekommen hatte. Eine Dekade später ist Naju ein Vorzeigebeispiel für einen, der aus dem Nichts ein erfolgreicher Unternehmer wurde, und für das Modell der Mikrofinanzierungen als Instrument gegen die Armut.

Etwa 500 Millionen Mikrokreditnehmer gibt es bisher weltweit. Kleine Beträge zwischen 50 und ein paar hundert Euro ermöglichen eine selbständige wirtschaftliche Existenz und damit Sicherheit vor Armut, die auch Unabhängigkeit von Almosen bedeutet. Würde und Geld gleichzeitig also. Die Laufzeiten für die Kredite sind kurz, die Zinsraten klein; weil es keine Sicherheiten gibt, sind die KreditnehmerzumZwangssparen angehalten.

Kredite für Frauen

Die armen Kreditnehmer sind verlässlich. Die Grameen Bank, die von Muhammad Yunus, dem heuer der Friedensnobelpreis zugesprochen wurde, gegründet wurde, hat eine Rückzahlungsrate von 99 Prozent. Das istzumeinen darauf zurückzuführen, dass die Verantwortung für die Rückzahlung bei einer Gruppe liegt. Der soziale Druck erhöht die Verlässlichkeit. Zum anderen werden 97 Prozent der Kredite an Frauen vergeben, die unter anderem als kreditwürdiger gelten als Männer, da sie oftmals die Verantwortung für das Wohl der gesamten Familie übernehmen.

Das Nobelkomitee begründete die Vergabe des Friedenspreises für die Grameen Bank deshalb auch damit, dass Kleinstkredite als befreiende Kraft in jenen Gesellschaften wirken, in denen vor allem die Frauen gegen repressive soziale und wirtschaftliche Bedingungen zu kämpfen haben.

„Frauen sind sehr gute Kreditnehmer, besser als Männer“, sagt auch Leo Lenhart, der für die NPO Oikocredit in Österreich Öffentlichkeitsarbeit macht. Für Lenhart sind Mikrokredite für Arme vergleichbar mit Angeln, die man zur Verfügung stellt – im Gegensatz zu Fischen, die Almosen gleichen. „Ich glaube immer mehr an Methoden, die es erlauben, dass Leute ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen, und immer weniger an Modelle, wo der große weiße Mann aus Europa kommt und hilft. Die Einmalhilfe und die Katastrophenhilfe in der Entwicklungszusammenarbeit werden sinken.“ Wo es allerdings überhaupt keine Infrastruktur gebe, könne man mit einem Marktstand oder einer Kuh auch nichts ausrichten.

„Afrika ist derhärteste Fall“, so Lenhart. „Mikrofinanz ist nicht das Allheilmittel – etwa bei humanitären Katastrophen.“ 700 Anleger Oikocredit ist eine Genossenschaft in den Niederlanden mit international 27.000 Anlegern, zu denen unter anderem der Papst gehört. In Österreich gibt es bisher nur 700 Anleger, in Deutschland sind es 12.000. Oikocredit vergibt maximal zwei Prozent Rendite. Zwei Drittel der Mittel (insgesamt wurden bisher 250 Millionen Euro vergeben) gehen in lokale Mikrofinanzinstitutionen, die anderen Gelder in Projektfinanzierung. Der Schwerpunkt liegt in Lateinamerika.

Afrika ist für viele Mikrofinanzinstitutionen unergiebig. Denn aus Risikogründen werden nur die bewährtesten Mikrofinanzinstitutionen in die Portfolios großer Fonds in den reichen Industriestaaten genommen. Yunus kämpft darum, dass auch Großbanken in die Gewährung von Mikrokrediten einsteigen und das Geschäft mit den Armen nicht in der Sparte für karitative Angelegenheiten laufen lassen. Sein Credo ist: „Barmherzigkeit ist endlich, Business kennt keine Grenzen.“ (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 21.11.2006)