Schmierst du noch, oder verkaufst du schon? Wer jetzt an Ikea denkt, liegt nicht gänzlich falsch. Denn auch Angestellte des schwedischen Möbelhauses bereicherten die Unternehmensszene in Deutschland mit einem Bestechungsskandal, die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt. Damit befindet sich der blau-gelbe Möbelgigant in bester Gesellschaft. Ob Volkswagen, BMW, Porsche, Infineon oder DaimlerChrysler – in Deutschland liefen die Geschäfte vieler Unternehmen in den vergangenen Jahren wie geschmiert. Einen besonderen Wirtschaftskrimi liefert gerade der Elektronikkonzern Siemens, die Folgen sind noch nicht absehbar. Auch wenn Unternehmen und Staatsanwalt betonen, die Razzia im Büro des Vorstandsvorsitzenden Klaus Kleinfeld sei nur gelaufen, weil der oberste Boss Zeuge ist, nicht aber Beschuldigter – es macht sich einfach nicht gut, wenn die Fahnder ob der Dimension der Affäre sogar im Chefbüro eines deutschen Traditionsunternehmens aufmarschieren. Kleinfeld hat ohnehin genug Sorgen: Er muss erst noch die Pleite des an Benq verkauften Handygeschäfts verkraften und seine durch den Stellenabbau beunruhigte Belegschaft auf Kurs halten.

Insider vermuten sogar, dass bei Siemens Schmiergelder in dreistelliger Millionenhöhe flossen. Da ist selbst die Antikorruptionsorganisation Transparency International verblüfft, und nicht nur bei der Konkurrenz von Siemens erinnert man hämisch daran, dass sich der frühere Siemens-Vorstandschef und jetzige Vorsitzende des Aufsichtsrats, Heinrich von Pierer, für eine Antikorruptionspolitik im Konzern stark gemacht hatte. Doch die Schmiermittel bei Siemens und etlichen anderen Unternehmen zeigen, dass vielerorts immer noch das alte Denken herrscht. Als tüchtig, rechtschaffen und korrekt wurden die Deutschen während der Jahres des Wirtschaftsbooms in aller Welt gelobt – so oft, dass sie irgendwann selbst gerne daran geglaubt haben, in ihren schönen Unternehmen gehe alles nur mit rechten Dingen zu. Und bitte, dass man manchmal nachhelfen muss, um einen Auftrag zu bekommen, das wusste man doch. Denn bis Ende der Neunzigerjahre konnten deutsche Konzerne Bestechungsgelder für das Ausland sogar als "nützliche Aufwendungen" von der Steuer absetzen.

Erst als Deutschland 1999 der OECD-Konvention zur "Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr" beitrat und ein internationales Bestechungsgesetz erließ, war damit Schluss.

Aber was auf dem Papier steht (auch im Strafgesetzbuch) ist in vielen Köpfen noch nicht angekommen. Neben der Schwarzarbeit sei die Korruption die am stärksten wachsende Wirtschaftsbranche, beklagen viele. Im globalen Wettbewerb, im Kräftemessen mit aufstrebenden Staaten wie China, weht ein derart scharfer Wind, dass viele Manager glauben, ohne einen wärmenden Mantel voller Bestechungsgelder erfrieren zu müssen. Beinhart verlangt ihre Zentrale die Erfüllung der vorgeschriebenen Ziele. Erfolg wird nur noch an Gewinn gemessen, das erhöht die Gefahr, korrupt zu werden.

Doch mit dem Aufdecken eines solchen Skandals ist es ja noch längst nicht getan. Davon kann vor allem VW ein trauriges Lied singen. Am Dienstag ist der ehemalige Betriebsratschef Klaus Volkert verhaftet worden. Das ist derjenige, dem VW-Personalmanager und Ehrenmann a. D. Peter Hartz Geschenke, Frauen und Lustreisen zuschanzte – alles aus der VW-Firmenkasse beglichen. Dafür wird VW noch jahrelang bitter bezahlen. Der Prozess gegen Hartz (Untreue in 44 Fällen) beginnt 2007, dann werden wieder all die unglaublichen Details von Manager-Dreistigkeit und Maßlosigkeit aufgerollt. Es ist gut, dass die Staatsanwälte in Deutschland immer genauer hinschauen und somit auch die Konzerne zur Verbesserung interner Kontrollsysteme zwingen. Kurzfristig mag Bestechung einer Firma Erfolg bringen, auf lange Sicht ist der Schaden durch Imageverlust größer. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.11.2006)