Zur Person

Michael Pesendorfer ist Jurist und Berufsoffizier. Er war Chief of Finance der European Union Monitor Mission in Sarajewo, Rechtsberater des Österreichischen Humanitären Kontingentes in Albanien, Rechtsberater im Militärstab der Europäischen Union in Brüssel und Chief Legal Adviser im Hauptquartier der EU-Kräfte in Sarajewo.

Der österreichische Ex-Soldat Bert Nussbaumer wurde am 9. November 2006 in der Nähe der südirakischen Stadt Basra entführt. Er hatte zu diesem Zeitpunkt ein Vertragsverhältnis mit der in Kuwait ansässigen Sicherheitsfirma "Crescent Security Group". Die Entführung gemeinsam mit vier US-Kollegen fand statt, als er einen LKW-Konvoi eskortierte, der laut Firmenangaben im Auftrag des italienischen Militärs unterwegs war.

Über die Hintergründe der Entführung und den Einsatz privater Sicherheitsfirmen zur Bewachung von Militäreinrichtungen entwickelte sich im derStandard.at-Forum eine heftige Debatte (unter dem Bericht über Nussbaumers Entführung finden sich über 700 Postings). Besonders über die Frage, ob Nussbaumer als "Söldner" bezeichnet werden könne, wurde erbittert gestritten.

Der Jurist und Bundesheer-Offizier Michael Pesendorfer antwortete auf die Fragen von Berthold Eder über moderne Söldner, private Sicherheitsfirmen in Kriegsgebieten und die rechtlichen Aspekte der Privatisierung von bisher Soldaten vorbehaltenen Aufgaben.

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derStandard.at: Im Irak sind mehr Mitarbeiter privater Sicherheitsunternehmen (Schätzungen reichen von 10.000 bis 50.000 Mann) tätig als Soldaten der britischen Armee. Seit Kriegsbeginn wurden mehr als 200 "security contractors" getötet. Welche Vorteile versprechen sich die Auftraggeber von der Auslagerung von Dienstleistungen an private Anbieter?

Michael Pesendorfer: Krieg ist immer eine teure Angelegenheit gewesen ist und war noch nie so teuer wie heute. Die meisten Soldaten müssen in einem Zeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr ausgebildet werden, bevor sie in komplexere Einsätze geschickt werden können, bei Offizieren dauert die Ausbildung bis zu vier Jahren, und das kostet natürlich.

Söldner und sogenannte "Sicherheitsdienstleister", die alle meistens erfahrene Ex-Militärs sind, stellen hier zumindest eine überlegenswerte Alternative dar. Obwohl auch nicht gerade billig, sind sie grundsätzlich rasch verfügbar, und man kann sie ohne weiters nach Hause schicken, wenn der Konflikt vorüber ist.

derStandard.at: Wie sieht es mit der Absicherung aus, wenn ein Sicherheitsdienstleister im Einsatz verletzt wird oder sogar ums Leben kommt?

Pesendorfer: Mitarbeiter privater Sicherheitsunternehmen haben im Gegensatz zu Soldaten, die ja "Staatsbedienstete" sind, keinen Anspruch auf viele Zusatzleistungen. Ist jemand Invalide geworden, dann hat er meistens "Pech" gehabt. Moderne westliche Armeen stehen berechtigter Weise unter einer strengen internen und externen Aufsicht, und zusätzlich wird noch jede Aktion von kritischen Medien genauestens mitverfolgt.

Durch die Beschäftigung privater Sicherheitsunternehmen glaubt man daraus resultierende Probleme umgehen zu können. Sie scheinen daher prima facie zur Verwendung in bewaffneten Konflikten besonders geeignet, die aus umstrittenen Gründen begonnen wurden und mit jedem Tag in der Öffentlichkeit unpopulärer werden.

Im Unterschied zu regulären Soldaten, die in die Armee gehen, um ihrem Land zu dienen, sind so genannte "Sicherheitsdienstleister" nicht an ihrem Einsatzort, weil sie irgendein Politiker hingeschickt hat, sondern weil sie Geld verdienen wollen. So brutal es auch klingen mag, aber wenn sie getötet werden, gibt es keine umhüllten Särge, die versteckt, und keine Familien, die offiziell getröstet werden müssen, und Regierungen entgehen peinlichen Anfragen in den eigenen Parlamenten.

Die Vorteile für die Auftraggeber, hinter denen sich in den meisten Fällen Staaten oder internationale Konzerne verbergen, liegen auf der Hand:
  • Keine diplomatischen Verwicklungen,
  • keine direkte Involvierung bei der Erledigung "unpopulärer" oder im so genannten "grauen" Bereich angesiedelter Aufgaben
  • Verschleierung von eigenen Verlustzahlen,
  • kostengünstiger als Einsatz eigener Streitkräfte.

    derStandard.at: Welche Bereiche bieten sich zur Auslagerung an private Dienstleister an?

    Pesendorfer: Beleuchtet man diese privaten Sicherheitsunternehmen (im Englischen auch als "Private Military Companies" bezeichnet) genauer, überrascht ihre reichhaltige Angebotspalette, die unter anderem den klassischen Personen- (Bodyguards) und Objektschutz, die Bedienung und Einschulung an komplexen Waffensystemen, sowie Anti-Terrorausbildung und Drogenbekämpfung umfassen kann und sogar bis zur Beratung in Sicherheitsfragen von Regierungen und Machthabern in "krisengeschüttelten" Gebieten reicht.

    Das globale Marketing wird überaus professionell betrieben und die privaten Sicherheitsunternehmen notieren sogar an den Börsen. Die privaten Sicherheitsunternehmen bieten das Produkt "Sicherheit" als bezahl- und handelbare Ware an, als kundenspezifischen Markenartikel, der sich in der Qualität danach richtet, was der Kunde zu zahlen bereit ist.

    derStandard.at: Was ist der Unterschied zwischen einem Söldner und einem Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma, wenn diese im Auftrag einer ausländischen Armee steht?

    Pesendorfer: Seit den neunziger Jahren ist der Begriff des Söldnertums durch einige Aufsehen erregende Fälle wieder in die internationalen Schlagzeilen geraten – man denke an den Balkan oder eben heutzutage an den Irak. Das Bild des Söldners hat sich jedoch grundlegend gewandelt. Waren es nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem Einzelkämpfer oder kleine Gruppen, die zumeist in Afrika ihr Handwerk ausübten, so begann sich eine neue Gattung von "Söldnern" nach Ende des "Kalten Krieges" in zivilen Unternehmen zusammenzuschließen.

    Man begann die "Privatisierung militärischer Dienstleistungen" als seriöses Geschäft aufzuziehen, samt bürgerlichem Rechtsstatus und Gewerbeschein. Private Militär- und Sicherheitsunternehmen verstehen sich heute als Wirtschaftsunternehmen, die aus Zivilisten bestehen und von einem Staat oder einer Firma beauftragt werden, auch in einem bewaffneten Konflikt unterstützend als Nicht-Kombattanten teilzunehmen oder in Kriegs- oder Krisengebieten bestimmte riskante Aufgaben wie z.B. Personen- oder Objektschutz durchzuführen.

    Die Definition aus Art. 47 Absatz 2 I. Zusatzprotokoll 1977 zu den Genfer Abkommen 1949, die sich aus dem Völkergewohnheitsrecht entwickelt hat, definiert im Gegensatz dazu den Söldner folgendermaßen:

    Als Söldner gilt,
    a) wer im Inland oder Ausland zu dem besonderen Zweck angeworben ist, in einem bewaffneten Konflikt zu kämpfen,
    b) wer tatsächlich unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt,
    c) wer an Feindseligkeiten vor allem aus Streben nach persönlichem Gewinn teilnimmt und wer von oder im Namen einer am Konflikt beteiligten Partei tatsächlich die Zusage einer materiellen Vergütung erhalten hat, die wesentlich höher ist als die den Kombattanten der Streitkräfte dieser Partei in vergleichbarem Rang und mit ähnlichen Aufgaben zugesagte oder gezahlte Vergütung,
    d) wer weder Staatsangehöriger einer am Konflikt beteiligten Partei ist noch in einem von einer am Konflikt beteiligten Partei kontrollierten Gebiet ansässig ist,
    e) wer nicht Angehöriger der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei ist und
    f) wer nicht von einem nicht am Konflikt beteiligten Staat in amtlichem Auftrag als Angehöriger seiner Streitkräfte entsandt worden ist.

    Alle diese Merkmale müssen kumulativ vorliegen. Deshalb wird in "Söldnerkreisen" gescherzt: "Wem es angesichts dieser Definition nicht gelingt, sich von der Einordnung als Söldner in einem Gerichtsverfahren zu befreien, der verdient es erschossen zu werden und sein Anwalt mit ihm!"

    derStandard.at: Soldaten unterstehen dem Militärstrafrecht ihres Landes. Welche Konsequenzen drohen privaten Sicherheitsdienstleistern, falls sie Übergriffe begehen?

    Pesendorfer: Da bisher keine rechtlich gültige und durchsetzbare Definition für private Sicherheitsdienstleister existiert, besteht auch kein international gültiger Rechtsrahmen. Jedes Fehlverhalten wäre grundsätzlich nach dem geltenden Strafrecht des Aufenthaltsstaates durch die örtlich und sachlich zuständige Justiz zu ahnden.

    Die gegenwärtige Schwäche des irakischen Staates samt seiner Justiz, die dafür prinzipiell zuständig wäre und zur rechtlichen Weiterentwicklung auf diesem Sektor einiges beitragen könnte, ist leider jedoch mitunter ein Grund für die Anwesenheit dieser Unternehmen.

    derStandard.at: In Medienberichten werden bewaffnete Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste in Kriegsgebieten oft als Zivilisten bezeichnet. Ist diese Benennung korrekt? Genießen diese also besonderen Schutz nach dem Kriegsvölkerrecht?

    Pesendorfer: Der Tatbestand des Söldners gemäß Artikel 47 I. Zusatzprotokoll ist so eng gefasst, dass er für Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen kaum praktische Bedeutung erlangt. Ihre konkrete Rechtsposition gegenüber dem Auftraggeber richtet sich allein nach dem Vertragsinhalt.

    Sie sind daher Zivilisten und als solche grundsätzlich durch das Genfer Abkommen völkerrechtlich geschützt. Abhängig von ihrem Auftrag, ihrer funktionellen Verbindung zu den Streitkräften und einer möglichen physischen Nähe zum Kampfgeschehen können sie aber einem deutlich erhöhten Gefährdungsrisiko ausgesetzt sein.

    derStandard.at: Gilt das auch, wenn diese "Zivilisten" von ihren Waffen Gebrauch machen?

    Pesendorfer: Die Beurteilung, ob eine Person unmittelbar an den Kampfhandlungen teilnimmt, ist nicht immer einfach einzugrenzen. Fälle, in denen sie an der Bedienung einer Waffe oder eines Waffensystems beteiligt sind, sind vergleichsweise noch leicht abgrenzbar, doch wie ist beispielsweise das Programmieren einer Computerattacke im Rahmen des so genannten "Cyber War" zu beurteilen?

    Von solchen Situationen sind jene Einsätze zu unterscheiden, in denen Mitarbeiter privater Sicherheitsunternehmen auf Grundlage eines individuellen Notwehr- und Nothilferechts von ihren Waffen Gebrauch machen, um sich oder andere gegen einen rechtswidrigen Angriff eines Dritten zu verteidigen.

    Da Angriffe auf zivile Objekte und Zivilpersonen im Rahmen eines bewaffneten Konflikts im allgemeinen verboten sind, scheint der Schutz von Privatpersonen, Unternehmen, Hilfsorganisationen, ziviler Infrastruktur durch private Sicherheitsfirmen grundsätzlich durch das Notwehr- und Nothilferecht gedeckt.

    derStandard.at: Wenn der Auftraggeber eine staatliche Armee ist und die Sicherheitsfirma Aufgaben übernimmt, die normalerweise von Soldaten erledigt werden, gelten die "Contractors" also trotzdem als Zivilisten?

    Pesendorfer: Wenn Private damit beauftragt sind, militärische Objekte im Rahmen eines bewaffneten Konflikts zu schützen, ist die Sachlage anders zu beurteilen, da diese Objekte legitime militärische Ziele für die Gegenseite darstellen können. Nehmen Private an der Verteidigung solcher Ziele teil, können sie sich nicht auf ein Notwehr- oder Nothilferecht berufen und werden zu "illegitimen Kombattanten" mit allen völkerrechtlichen und nationalen strafrechtlichen Konsequenzen.

    Eine Möglichkeit, zwischen Söldnern und Mitarbeitern privater Sicherheitsunternehmen grundsätzlich zu unterscheiden, wäre eine Differenzierung der Firmen anhand der Funktionen, die sie übernehmen. Die Übernahme von Kampfaufgaben sowie Kampfunterstützungsfunktionen würde damit eine wahrscheinliche Klassifizierung als Söldnerunternehmen zur Folge haben.

    Als privates Sicherheitsunternehmen hingegen wäre eine Firma zu definieren, die Funktionen übernimmt, die originär von der Polizei erbracht wurden. Die derzeitige Definitionsunsicherheit wird jedoch mitunter ein Grund sein, warum das Phänomen der privaten Sicherheit rechtlich noch nicht reguliert wurde. (derStandard.at/22.11.2006)