Bild nicht mehr verfügbar.

"Hoher Hysteriepegel": einer der Glücklichen, die den Kampf um die begehrten Sony- Konsolen am ersten Verkaufstag ohne gröbere Verletzungen überstanden haben.

Foto: AP/Jae C. Hong

Playstation-Fan Bernd Hadler: Sony auf dem Weg nach "Logoland"?

Foto: GS
Im Jahr 2003 veröffentlichte der australische Autor Mark Barry einen Roman namens "Logoland". Darin zeichnet er ein düsteres Bild der Zukunft und rechnet gleichzeitig mit der globalisierten Gegenwart ab. Mitarbeiter von Betrieben tragen als Nachnamen den Firmenwortlaut ("John Nike"), und Straftaten werden nur noch staatlich verfolgt, wenn sich Geschädigte das auch leisten können. Im Kern des utopischen Thrillers steht jedoch die brandneue Marketingstrategie eines Sportschuh-Erzeugers: Zur Markteinführung eines neuen Modells zum Paarpreis von 2500 Dollar sollen organisierte Killer Kunden zum Verkaufsstart erschießen. Das sorgt für einen Hype, das sorgt für weltweites Medieninteresse und das sorgt für ein gutes Geschäft - wenn für ein paar Schuhe gemordet wird, dann muss man diese doch besitzen, oder?

Kampf um die "Poleposition"

Zurück zur Realität: Im November 2006 bringt Sony die lang erwartete "Playstation 3" auf den Markt - in limitierter Auflage zu rund 600 Dollar das Stück. Am ersten Verkaufstag wurde im US-Bundesstaat Indiana ein 19-Jähriger mit einem Messer lebensgefährlich verletzt, als er mit einem Komplizen versuchte, einem anderen Mann die Spielkonsole, die dieser gerade gekauft hatte, wegzunehmen. In Pennsylvania wurde ein Jugendlicher mit vorgehaltener Pistole gezwungen, seine eben erworbene Playstation herzugeben. Und im Bundesstaat Ohio überfielen fünf maskierte Männer einen Playstation-Verkäufer um an das begehrte Stück zu kommen. Dazu gab es laut Agenturberichten sowohl in Japan als auch in den USA jede Menge Prügeleien in den Warteschlangen vor den Geschäften - um im Kampf um die "Poleposition" beim Erwerb der Konsole, auf die die Fans seit Jahren gewartet hatten, nur ja nicht das Nachsehen zu haben.

"Hoher Hysterielevel"

2003 zeigten sich die Kritiker von Mark Barrys "Logoland" schockiert - seine Art der Kritik an unserer Konsumgesellschaft erschien ihnen vielfach überzogen, ja unrealistisch. Die Berliner "tageszeitung" schrieb beispielsweise von einem "hohen Hysterielevel" und vom "Sprung aus der Nische linker Bedenkenträger auf den Popmarkt".

Nun sind Zukunftsspekulationen immer schon gerne verharmlost und nicht für ganz voll genommen worden - sei es George Orwells "Animal Farm", Aldous Huxleys "Schöne neuen Welt" oder auch "A Clockwork Orange" von Anthony Burgess. Doch dass die brutale Utopie einer Geschichte bereits drei Jahre später in einem absolut vergleichbaren Markt Wirklichkeit geworden sein könnte, ist - unabhängig von jeglicher Unschuldsvermutung und unter Einbeziehung des Zufallsprinzips - zumindest einen Gedanken wert, in welche Richtung sich unsere Welt offenbar mit riesigen Schritten bewegt.

Übrigens haben sich Steven Soderbergh und George Clooney bald nach Erscheinen von "Logoland" die Filmrechte am Objekt der Begierde gesichert. Anlässlich der aktuellen Ereignisse dürften die Dreharbeiten bald beginnen und das Erfolgs-Dreieck "Fiktion/Realität/Hollywood" schon in naher Zukunft erneut die Kassen zum Klingeln bringen. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.11.2006)