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Foto: AP/Christophe Ena
Die Dreierfusion ist schon seit langem im Gespräch, doch bisher gab es sowohl von französischer wie italienischer Seite starke Widerstände gegen das Projekt. Air France/KLM, die weltweit umsatzstärkste und äußerst erfolgreiche Fluggesellschaft, will die Katze nicht im Sack kaufen und verlangte bisher eine vorherige Sanierung sowie Privatisierung der stark defizitären Alitalia; nach Presseberichten verlangt AF-KLM-Vorsteher Jean-Cyril Spinetta, dass die halbstaatliche Airline Italiens rund zehn Prozent der 2000 Piloten und 5000 Flugbegleiter abbaut und mehrere Dutzend Flugzeuge abstößt.

Ängste in Rom

In Rom wiederum bestehen Ängste, dass die Franzosen Al Italia schlucken und sich "einfach des italienischen Marktes bemächtigen" wollen, wie Ministerpräsident Romano Prodi am Donnerstag im Pariser Figaro erklärte. Deshalb verlangte er von der AF-KLM-Führung Aufklärung über die wahren Absichten.

Spinetta antwortete noch am gleichen Tag anlässlich der Präsentation der Quartalsergebnisse – die mit einem Reingewinn von 374 Mio. Euro einmal mehr über den Erwartungen der Analysten liegen. Der Franzose erklärte, AF-KLM habe mit Alitalia "eine Phase eines abklärenden Gedankenaustauschs eröffnet". Die Verhandlungen werden damit erstmals offiziell bestätigt. Die vorsichtige Wortwahl zeugt aber von den Reserven, die beidseits der Alpen bestehen bleiben. Wie üblich spielen heikle nationale Gefühle und Interessen mit; Prodi und Frankreichs Staatschef Jacques Chirac werden bei ihrem Treffen heute Freitag zweifellos auch die geplante Annäherung der beiden Airlines bereden. Alitalia ist zu 49 Prozent in Staatshänden, während Frankreich noch 18 Prozent an AF-KLM hält.

Kontakte nach Asien

Die Gründe für die Intensivierung der Gespräche liegen in erster Linie auf französischer Seite. Spinetta ist nicht verborgen geblieben, dass Alitalia Kontakte zu asiatischen Airlines geknüpft hat und damit "fremd gehen" könnte. Ein Beitritt der Italiener in das AF-KLM-Kapital wäre derzeit gar nicht unerwünscht. Vor wenigen Tagen hatte Spinetta seine ausländischen Aktionäre nämlich auf höchst unübliche Weise davor gewarnt, mehr als 45 Prozent des Kapitals zu übernehmen. Im Visier hat er dabei vor allem angelsächsische Investitionsfonds, die sich in letzter Zeit offenbar stark in das franko-holländische Unternehmen eingekauft haben. Halten französische Aktionäre weniger als die Hälfte der Anteile, könnte die Airline wichtige Verkehrs- und Landerechte verlieren. Das europäische Recht gibt ihr das Recht, in diesem Fall Aktien von ausländischen Besitzern zurückzukaufen, doch hätte dies an den internationalen Börsen einen Imageschaden zur Folge. Ein Kapitalaustausch mit Alitalia würde die Gefahr eines internationalen „Ausverkaufs” von AF-KLM einschränken. Deshalb wird sich nun zeigen müssen, wie weit Spinetta von der Vorbedingung einer abgeschlossenen Sanierung Alitalias abgehen wird. An der gestrigen Pressekonferenz meinte Spinetta zwar, an seinen Forderungen habe sich nichts geändert. Ein weiterer Grund jenseits des Atlantiks könnte die Franzosen und Holländer veranlassen, gegenüber Alitalias Finanznöten die Augen zuzudrücken: Die amerikanische AF-KLM-Partnerin Delta Airlines ist derzeit Gegenstand eines Übernahmeangebotes ihrer Rivalin US Airways.

Allianzwechsel

Das Pikante an der Situation ist, dass US Airways mit Lufthansa in der Star Alliance ist, während Delta mit Air France, KLM und Alitalia im Skyteam verbündet ist. Sollte Delta aus diesem Bündnis austreten, wäre dies für AF-KLM nicht zuletzt gegenüber ihrem europäischen Hauptkonkurrenten Lufthansa ein herber Rückschlag. Ein Grund mehr also für Spinetta, sich im italienischen Markt ein neues Standbein zu sichern. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.11.2006)