Wien/Sofia - Gleichermaßen mit Verwunderung und Verärgerung nehmen die Wiener Sicherheits- und Justizbehörden die neuesten Entwicklungen im Fall Dimitr K. zur Kenntnis, der eigentlich längst von der bulgarischen Justiz ausgeliefert hätte werden sollen. Die Auslieferung "scheint vorerst auf Eis gelegt", heißt es dazu aus Justizkreisen.
Dimitr K. gilt als Kopf einer international tätigen, 200 Personen umfassenden Fälscherbande, die sich auf die Herstellung von Euro-Blüten spezialisiert hatte. Als umtriebiger Falschgeld-Verbreiter hätte der 45-jährige Ukrainer schon im Vorjahr in Wien vor Gericht gestellt werden sollen. Doch kurz vor seiner Verhandlung gelang im April 2005 dem unter dem - wie sich später herausstellen sollte falschen - Namen "Ivan Ivanov" in U-Haft Sitzenden die Flucht aus dem Landesgerichtlichen Gefangenenhaus.
Ein als Anwalt getarnter Fluchthelfer war damals in die Besucherzone des Gefängnisses spaziert. Er ließ sich Dimitr K. vorführen, händigte ihm in einem Koffer mitgebrachte Kleidung aus, und nachdem der 45-Jährige sich umgezogen hatte, spazierten die beiden seelenruhig aus dem Gefängnis.
Wenige Monate später konnte der dreiste Flüchtling jedoch in Bulgarien mit europäischen Haftbefehl festgenommen werden, wo er seine Bande bereits "reaktiviert" hatte. Diesmal stellte der Fälscher-Ring vor allem täuschend echt aussehende Reisepässe, Führerscheine und sonstige Urkunden her.
Seither wartet man im Wiener Landesgericht vergeblich auf die Auslieferung des Fälscher-Bosses, die die Generalsstaatsanwaltschaft in Sofia an sich längst rechtskräftig genehmigt hat - jedoch "vorbehaltlich der Abführung eines Inlandsverfahrens", wie es in der Entscheidung heißt.
Mit diesem Prozess, in dem es vor allem um die Produktion von falschen bulgarischen Pässen gehen soll, lässt man sich in Sofia aber offenbar reichlich Zeit. Wie nun ein Verbindungsmann des österreichischen Innenministeriums an Ort und Stelle in Erfahrung brachte, ist die Verhandlung unlängst auf den 31. Jänner 2007 vertagt worden. Da offenbar kein Ende in Sicht ist, steht schon der darauf folgende Verhandlungstermin fest: Der 28. September 2008. Bis zur rechtskräftigen Erledigung dieses Verfahrens sei die Auslieferung nicht möglich, wurde Österreich beschieden.
Das löst bei manchen nicht nur Kopfschütteln aus. "Von einer raschen und effizienten Durchführung eines Strafverfahrens, wie man sie sich eigentlich von einem EU-Beitrittskandidaten erwarten würde, kann da nicht mehr die Rede sein", meinte der Wiener Strafrichter Peter Liebetreu gegenüber der APA.
Für ihn ist die Begründung, die die bulgarischen Behörden für die Verzögerung ins Treffen führen, "im Kern nicht nachvollziehbar". Liebetreu, der den Wiener Prozess gegen Dimitr K. leiten würde, wird daher das Justizministerium ersuchen, offiziell das Vorgehen der obersten Kassationsstaatsanwaltschaft in Sofia zu hinterfragen.
Diese hatte Österreich in einem Schreiben ausrichten lassen, der Grund für die Verzögerung sei ein Rechtshilfeersuchen an die Türkei. Demnach dürfte Dimitr K. dort ebenfalls straffällig geworden sein. Seitens der Türkei sei das Rechtshilfeersuchen leider nicht beantwortet worden, bedauerte die Kassationsstaatsanwaltschaft und bat daher um Verständnis für die deswegen angeblich nötige Vertagung des bulgarischen Prozesses gegen Dimitr K. und seine Bande.