Waltraud Kaserer wurde vom Magazin Spiegel vor fast 2 Jahren aus Wien nach Hamburg berufen. Dort half die ehemalige Standard-Wirtschaftsredakteurin der Financial Times Deutschland beim Aufbau der Online-Redaktion und Konzeption der Website. Derzeit leitet die 31-jährige Salzburgerin das Ressort Geldanlage der Welt am Sonntag. Welche Aus-/Weiter-/Bildung haben Sie gebraucht um diesen Job ausführen zu können? Keine Formelle. Mein Einstieg in den Journalismus ist alles andere als geradlinig verlaufen. Ich habe das meiste "on the job" gelernt. Wichtiger als formelle Bildung sind in diesem Beruf Eigenschaften wie Neugierde, Engagement, Kritikfähigkeit, Sorgfalt, Verantwortungsbewußtsein und Geselligkeit. Nach der Matura habe ich mehrere Jahre im Wertpapierbereich einer Bank gearbeitet und dann bei der Österreichischen Termin- und Optionenbörse. Dabei habe ich Wirtschaft in der Praxis kennengelernt. Parallel dazu habe ich Publizistik, Politik und Handelswissenschaften studiert. Da kam die Theorie dazu. Journalistin wurde ich aus Neugier. Ich wollte einfach mal sehen, wie das in der Praxis ist, was ich schon so lange studiere. Und dann bin ich hängen geblieben - beim Standard. Neben dem Genannten habe ich noch das Kolleg für Wirtschaftsjournalisten und einen Kurs über das Internet am Kuratorium für Journalistenausbildung absolviert. Alle Komponenten meiner Aus- und Weiterbildung haben bei meinem Fortkommen wahrscheinlich eine Rolle gespielt. Ob ich sie alle gebraucht hätte, kann ich natürlich nicht sagen. Wichtig war sicher, dass ich zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle war. Welche Aus-/Weiter-/Bildung würden Sie anraten, wenn eine Freundin Sie danach fragen würde und sogleich damit beginnen wollte? Ohne Fachwissen kommt frau heute im Journalismus nicht mehr weit. Also würde ich ein Fachstudium empfehlen - am besten das, wo die größten Interessen liegen. Ein Publizistik-Studium kann nicht schaden, reicht aber alleine nicht aus. Es sei denn, frau hat in einem Bereich Praxis angesammelt. Da es die besten Jobchancen im deutschsprachigen Raum derzeit in den Wirtschaftsressorts gibt, ist eine einschlägige Ausbildung am aussichtsreichsten. Der Besuch der Österreichischen Medienakademie oder einer deutschen Journalistenschule kann nicht schaden. Vor allem in Deutschland wird auf diese formelle Ausbildung großen Wert gelegt. Wer die Aufnahme für einen Lehrgang einer Journalistenschule geschafft hat, braucht sich in der Regel keine Sorgen mehr um sein berufliches Fortkommen machen. Unerlässlich ist es für Jede/n, nebenbei zu schreiben. Eine Anstellung im Journalismus bekommt frau heute wie früher nur über freie Mitarbeit. Je früher frau damit beginnt, desto besser; bei einer Schülerzeitung, an der Uni, in der Mitarbeiterzeitschrift eines Unternehmens. Was ist/war der angestrebte (eventuell auch der Traum-)Beruf? Zu Schulzeiten war es mein Ziel, in einem Reisebüro zu arbeiten. Seit ich Journalistin bin, weiß ich, dass das mein Traumberuf ist. Welchen Einfluss von Außen hatten Sie bei Ihrer Berufsauswahl (Eltern,Vorbilder, Freunde, UnterstützerInnen...)? Meine Eltern haben mich zur Anstellung in der Bank gedrängt, wo ich es fünf Jahre wider Erwarten sehr interessant fand. Danach hat sich alles Andere ergeben. Zu meiner Entscheidung für den Journalismus hat mein Diplomarbeits-Betreuer am Institut für Publizistik der Uni Wien beigetragen, indem er mich auf ein Stipendium für das Journalistenkolleg aufmerksam machte. Welche Rolle spielt es, dass Sie als Frau diesen Beruf ausüben? Vielleicht ermutigt es andere Frauen, auch mehr zu wollen, als einem von Vornherein zugestanden wird. Welche Ausbildungswege/welcher Job wäre es sonst geworden? Reisebüro und/oder Wirtschaftsstudium Wie schätzen Sie den Frauenanteil in Ihren Beruf ein? Und warum - glauben Sie - ist das so? In Österreich schätze ich den Frauenanteil etwa gleich hoch ein, wie den der Männer. Allerdings gilt dies nur für die "hinteren Ränge". Die Chefs sind überwiegend Männer. In Deutschland ist das ähnlich. Im Journalismus hat frau auch als "einfache Redakteurin" viel Verantwortung. Deshalb halte ich es für einen guten Anfang, dass viele Frauen dort arbeiten - auch wenn sie "nur als einfache Redakteurinnen" angestellt sind. Dass sie es schwer haben, in Führungspositionen zu gelangen, liegt einerseits an den fehlenden Netzwerken - und im Umkehrschluss an den starken und effizienten Männerfreundschaften, andererseits ganz sicher auch daran, dass sich Frauen weniger zutrauen. Sie wagen sich an eine Aufgabe erst heran, wenn sie sicher sind, dass sie sie auch bewältigen. Wie wichtig ist die Emanzipation für Sie und Ihr berufliches Dasein? Mein Berufsweg wäre ohne die Frauenbewegung der siebziger Jahre sicher nicht so verlaufen. Es wäre schon daran gescheitert, dass ich nicht einmal Matura hätte machen dürfen. Mangels weiblicher Chefs war mein berufliches Fortkommen jedoch eher von Männern bestimmt. Wenn ich mich aber stärker emanzipiert habe, habe ich immer wieder eine Mauer gespürt. In meinem jetzigen beruflichen Dasein ist Emanzipation selbstverständlich. Ich verstehe sie als "automatische Gleichbehandlung" und als "affidamento" (als Ermutigung und Unterstützung). Wenn Sie Fee für eine Stunde wären, was gehört sofort geändert? Das starre Bildungssystem, das Kreativität und Selbstbestimmung nicht fördert sondern verschüttet. Welche 3-Insel-Bücher bzw. Insel-Urls sollte frau haben? Keine Bücher, sondern 6 Urls. Damit kann ich mit alles beschaffen, was ich für ein paar Monate brauche. Brigitta Bernart-Skarek