Von oben kommt zu wenig für eine perfekte Schneedecke

Foto: Alex Kaiser/Tiscover Images
Die letzten Novembertage in Lech sind pure Idylle. Kräftige Herbstsonne lässt die ersten Schneedepots glitzern. Sepp Moser hat sie mit seinem Team in den wenigen kalten Novembernächten hergestellt. Jetzt warten die Schneemacher darauf, dass sich der Föhn verabschiedet, damit sie weiter produzieren können. 15 Grad plus, das ist eindeutig zu viel. "Bei Föhnstimmung spielt sich gar nichts ab", stellt Sepp Moser nüchtern fest. Keine Resignation, kein Ärger ist herauszuhören. Mit dem Wetter hat sich der 46-jährige Schneimeister längst arrangiert: "Es ist immer noch Winter geworden."

Zu Allerheiligen, als Frau Holle so nett war, einen halben Meter Neuschnee zu schicken, schaute es noch nach Winter aus in Österreichs Wintersportort Nummer eins - bis der Föhn kam und die weiße Pracht Vergangenheit war.

Mit der Vergänglichkeit des Arbeitsmaterials hat sich Sepp Moser abgefunden. Die Natur sei bestimmend, "das ist zu akzeptieren, und das soll auch so bleiben". Deshalb arbeiten die Schneemacher nur mit Wasser und Luft. Zusatzmittel, die Wasser schneller kristallisieren lassen und den Schnee dichter machen, wie die eisbildenden Proteine aus dem Bakterium Pseudomonas syringae, sind tabu.

Basis ist das Wasser aus dem Lech. In der Schneeanlage, dem unterirdischen Headquarter hinter der Talstation des Schlegelkopfliftes, wird das Wasser gepumpt, entkeimt und dann mit Hochdruck den Berg hinaufgeschickt, bis auf 2300 Meter Höhe. Pro Minute zwölf Kubikmeter Wasser, das ergibt 25 Kubikmeter Schnee pro Minute - zwei bis drei Lkw-Ladungen voll.

Sieben Männer, Schlosser wie Sepp Moser und Mechaniker, Installateure arbeiten in der Schneeanlage. Trockene Luft, Minusgrade sind die optimalen Produktionsbedingungen. "Bei trockener Luft und kaltem Wasser können wir aber auch bis vier Grad plus schneien", erklärt Moser.

Beschneit wird mit Druckluftkanonen, Propellerkanonen und Schneelanzen. Letztere, schlanke bis zu zehn Meter hohe Rohre, sind Teil des Landschaftsbildes. Nicht ganz so effektiv wie die Propellerkanonen, weil ihre Reichweite geringer ist, aber dafür energie- und wassersparender sprühen sie die Eiskristalle auf die Piste. 120 Schneeerzeuger stehen an den Pisten der Skilifte Lechs, 200 Unterflurhydranten versorgen sie. 500.000 bis 800.000 Kubikmeter Schnee werden pro Saison maschinell produziert. Eine teure Sache, denn ein Kubikmeter Schnee verursacht Betriebskosten von einem Euro.

Warum lässt man die Natur nicht allein schneien? Optimal sei der Naturschnee von oben schon, sagt Sepp Moser, aber nicht ausreichend für eine "gesunde Schneedecke", die den Boden schüzt. 20 bis 25 Zentimeter Maschinenschnee entsprechen einem Meter Naturschnee. Maschinenschnee sei dichter, besser für eine Unterlage, auf der man dann "die ganze Saison arbeiten kann". Diese brauche man, "weil heute sehr viel mehr präpariert werden muss". Denn: "Wer die besten Bedingungen bietet, hat die meisten Gäste." Produziert wird Tag und Nacht. "In der Nacht machen wir den feuchteren Schnee und mehr Menge. Nach dem Frühstück um acht Uhr schalten wir zurück auf Pulverschnee."

Dann geht Sepp Moser hinaus ins Gelände, weil die Schneemacherei "eine Gefühlssache" sei, trotz automatisierter Maschinen. Und Erfahrungswissen. "Schneequalität muss immer der Hanglage angepasst sein. Ein steilerer Hang braucht eine kompaktere Unterlage, dann eine schöne Schneedecke. Wenn der Skifahrer in der Früh daherkommt, soll es stauben, dann passt es."

Schnee gestalten

Der Schnee allein macht noch keine Piste. Die Schneedecke muss gestaltet werden. Da kommen Hanspeter Hussl (50) und sein elfköpfiges Pistenfahrerteam zum Einsatz. Nachts, wenn die Gäste längst die geheizten Liftsessel mit Barhockern getauscht haben, klettern sie mit ihren Sieben- bis Zehntonnern die Hänge hinauf, die ganz schweren Geräte mit Seilwinden abgesichert. 430 PS hat die stärkste Pistenraupe, 21 Liter Diesel verbraucht sie in der Stunde.

"Kanten abdecken. Wo am meisten Verschleiß ist, wieder aufdoppeln. Schauen, dass es keine Riegel gibt, dass die Überlappungen passen", beschreibt Hanspeter Hussl die Hauptaufgaben der Pistenfahrer. Oder einfacher: "Den Schnee, den der Skifahrer runterschiebt, wieder hinaufbefördern", damit die Gäste dann wieder jubeln können: "Traumhaft, Superschnee heute". (Jutta Berger/Der Standard/ Printausgabe/29.11.2006)