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Max Merkel mit den in seiner Trainerzeit bei Atletico Madrid gewonnenen Pokalen (Cup- Meister- und Ligapokal).

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Wien/München - In Wien, wo der Tod sozusagen das endgültige Zelebrieren des Lebens ist oder war, gibt es einen wunderbaren Spruch. Über einen, wie Max Merkel einer war, sagt man, dass, wenn er sterbe, man die Gosch'n extra derschlagen müsse. Das Wunderbare an diesem Spruch ist die unverhohlene Hoffnung, dass das Derschlagen nicht gelingen möge. So wie das wohl auch dem Merkel passieren wird, der am Dienstag im 88. Lebensjahr in seinem Haus bei München gestorben ist: Seine Gosch'n - das sagen nicht nur die Wiener, sondern vor allem die Deutschen - ist underschlagbar.

Max Merkel war einer der ersten, der den theatralischen Charakter des Fußballs - sein Schmähpotenzial, wenn man will - wachgeküsst hat. Als kompromissloser Vorstopper der von Hans Pesser auf "brasilianisch" umgestellten Rapid holte sich der am 7. Dezember 1918 in Simmering Geborene die handwerkliche Grundlage für seine nachfolgende Trainerkarriere, die ihn über Rapid, 1860 München, den 1. FC Nürnberg und Atletico Madrid zu vier nationalen Meistertiteln führte.

Seine wahre Berufung war freilich die des Hutschenschleuderers. Er heuerte als Kolumnist bei Bild an, wo er mit beißender Wahrhaftigkeit der modernen Ballesterei die Leviten las. Auch dem ÖFB, dem er 1977/78 (Cordoba!) als technischer Direktor diente. Und als solcher sammelte er folgende Erfahrung: "Im ÖFB klappt nix außer der Mittagspause." Ein Befund, der aktueller nicht sein könnte. Über Mario Basler hielt er fest, der sei "die teuerste Parkuhr der Welt. Er steht rum - und die Bayern stopfen das Geld rein." Auch das war nicht gerade an den Haaren herbeigezogen.

Max Merkel war jedenfalls einer, der dem staubtrockenen Wettbewerb Fußball jene ironische Note abrang, die das Spiel im Wien der Zwischenkriegszeit ausgemacht hat. Eine Leichtfüßigkeit, die bis zur Mitte der 50er-Jahre das mitteleuropäische Spiel noch bestimmt hat. Danach aber zog sich diese Qualität nach Brasilien zurück. Nach Brasilien und ins Hutschenschleudern, das Max Merkel beherrscht hat wie kein Zweiter.

"Zuckerbrot und Peitsche" seien seine Trainingmethoden, wurde verkündet. Tatsächlich reduzierten die sich auf den intelligenten Schmäh, der jedem modernen Besserwisser ins Stammbuch geschrieben gehört: "Im Training habe ich mal die Alkoholiker meiner Mannschaft gegen die Antialkoholiker spielen lassen. Die Alkoholiker gewannen 7:1. Da habe ich gesagt: Sauft's weiter."

In Zeiten, in denen ein immer noch da seiender Sport-Staatssekretär die Wahl eines Teamquartiers als gute Möglichkeit zu Strafmaßnahmen wahrnimmt, ist die Hoffnung, dem Merkel seine Gosch'n sei underschlagbar, von hochaktueller Brisanz. Die sich mit höchstens noch einem Wunsch verbindet: Dass das Merkel'sche Mundwerk sich nicht auf den Fußball beschränken möge. "Wenn ich die Wahl hätte zwischen einem Manager Dieter Hoeneß und einem Manager Uli Hoeneß, würde ich den Reiner Calmund nehmen." (DER STANDARD, Printausgabe, Donnerstag, 30. November 2006, Wolfgang Weisgram)