Wien - In der Affäre um den Konkurs des Finanzdienstleisters AMIS hat der beschuldigte Ex-Manager Dietmar Böhmer ein Teilgeständnis abgelegt, berichtet das "WirtschaftsBlatt" (Mittwochausgabe) unter Berufung auf Böhmers Anwalt. "Herr Böhmer hat begonnen, das System AMIS zu erklären und die Wahrheit zu sagen. Er legte ein Teilgeständnis ab, aber er bestreitet den Vorwurf des schweren gewerbsmäßigen Betrugs", sagt sein Verteidiger Ewald Scheucher. Böhmer habe nicht gewollt, dass irgendjemand zu Schaden komme.

Böhmer habe bei einer Einvernahme durch Beamte der Wirtschaftspolizei die Hintergründe des Provisionssystems erläutert. AMIS hatte vorgegeben, die Provisionen durch Factoring mit Banken vorzufinanzieren. Indes sollen die Provisionen tatsächlich aber durch Rücklösungen von Fondsanteilsscheinen (Redemptions) lukriert worden sein. Das Factoring-System soll es laut Böhmer nie gegeben haben. "Es war angedacht, so etwas zu machen, es kam jedoch nie zu Stande." Die Gespräche mit den Banken seien gescheitert.

Beide Manager in Haft

Laut Böhmer sei die Bewerbung des Factorings beibehalten worden, weil man die Schulungen bereits begonnen hatte und das Factoring "für die Mitarbeiter eine plausible Erklärung für die hohen Provisionen war". Davon sollen laut Böhmer mehrere Personen in der AMIS-Führungsetage gewusst haben, darunter auch AMIS-Gründer Harald Loidl. "Das stimmt nicht. Meiner Meinung nach hat es dieses Factoring gegeben", konterte Loidl bei seiner Vernehmung laut Bericht. Beide Ex-Manager, Böhmer und Loidl, befinden sich in Haft.

Der Grazer Anwalt Harald Christandl, der rund 2.700 geschädigte AMIS-Anleger vertritt, hat laut "WirtschaftsBlatt" eine Amtshaftungsklage in Sachen AMIS gegen die Republik eingebracht. "Die Kläger haben darauf vertraut, dass die ihrerseits investierten Vermögenswerte auf Grund einer funktionstüchtigen Aufsicht sicher angelegt sind", heißt es in der Klage. "Es ist offenkundig, dass zumindest seit dem Jahr 1999 der Aufsichtsbehörde (Bundeswertpapieraufsicht bzw. Finanzmarktaufsicht) Missstände bzw. Rechtswidrigkeiten der AMIS-Unternehmungen bekannt waren oder sein mussten, aber es wurden in schuldhafter Weise der betroffenen Behörden keine Schaden verhindernde Maßnahmen ergriffen."

Anzeichen der Insolvenz

Laut Gerichtsgutachten des Sachverständigen Gottwald Kranebitter, aus denen die Zeitung zitiert, sei der Eintritt der Insolvenz bereits im Jahr 2000 anzunehmen. "Die Erkennbarkeit war für jene Leitungsorgane gegeben, die von der (den Kunden nicht bekannt gegebenen) Entnahme von Kundenvermögen in Form so genannter Redemptions zur Abdeckung von Aufwendungen der AMIS-Gesellschaften wussten." Die Bilanzen seien seit 2000 unrichtig, weil sie die Verbindlichkeiten aus den Rückführungsverpflichtungen von zu Unrecht entnommenen Kundengeldern nicht zeigten. Von 2000 bis 2005 ergeben sich 220,7 Mio. Euro Kundeneinzahlungen und ein Fonds-Anfangsstand von 18,5 Mio. Euro, davon wurden abgezogen: 19 Mio. Euro bekannt gegebene Gebühren, 56,7 Mio. Euro Kundenauszahlungen, 58,9 Mio. Euro nicht bekannt gegebene Zahlungen und 33 Mio. Euro "negative Performance".

Vom Schadensfall AMIS sind rund 10.000 österreichische und etwa 6.000 deutsche Anleger betroffen. Von ihren Anlegergeldern sind rund 70 Mio. Euro verschwunden. Gegen die Verantwortlichen wird wegen des Verdachts auf schweren gewerbsmäßigen Betrug ermittelt. Es gilt die Unschuldsvermutung. (APA)