"Die Machtkämpfe für die Nachfolge Präsident Putins sind voll entbrannt", erklärte Eberhard Schneider von der Universität Siegen. Die eine Strategie hinter den Morden könnte sein, Putins Ruf international endgültig zu ruinieren, sodass er entgegen seinen Ankündigungen ungeniert noch eine dritte Amtszeit antreten könne. Das würde der Elite im Kreml und in einflussreichen Posten in der Industrie erlauben, ihre Positionen zu halten. Ein zweites Szenario, so Schneider, sei, einen schwachen Nachfolger zu installieren, Putin könnte irgendwo "zwischenparken" und nach einer kurzen Periode verfassungskonform wieder für zwei Amtsperioden die Macht übernehmen.
Auch für Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck war klar, dass "der lange Tod Litwinenkos eine lange Debatte auslösen sollte, die Putin schadet". Er vermutet die Urheber des Attentats im russischen Inlandsgeheimdienst FSB. Der Sicherheitsapparat, der in Putins Russland an den Schalthebeln der Macht sitze, wolle sich seine Einflusssphären erhalten. Und "der Präsident ist in diesem System viel schwächer, als er nach außen hin scheint".
Mangott hielt auch einen Terroranschlag im Vorfeld der Wahlen für möglich. Das würde den Ruf nach einem starken Mann laut werden lassen. Und mit einem solchen Muster hätten Putin und seine Hintermänner nach den Chaosjahren in den 1990er-Jahren erfolgreich reüssiert. "Demokratisierung war in den vergangenen Jahren nicht auf der Agenda. Die Russen wählten Putin, weil sie Stabilität wollten."