Von ehemals hunderttausenden Mitgliedern sind heute nur mehr wenige tausend übrig geblieben, die ausnahmslos in Istanbul leben.

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Auch wenn die griechisch-orthodoxe Gemeinde, die älteste religiöse Gemeinschaft in der Türkei, heute nur wenige Gläubige umfasst, ist das Stadtbild von Istanbul immer noch durch zahlreiche griechisch-orthodoxe Kirchen geprägt. Das Zentrum der Orthodoxie ist der kleine Stadtteil Fener direkt am goldenen Horn. Hier steht auch die einzige Kirche, die seit byzantinischen Zeiten ohne Unterbrechung als Kirche genutzt wird.

Dieses Gebiet war zusammen mit dem benachbarten Balat seit der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453 das Hauptsiedlungsgebiet der Griechen bzw. Byzantiner, denn die Griechen in Istanbul sind direkte Nachfahren der verbliebenen Einwohner der byzantinischen Hauptstadt Konstantinopel. Sie heißen im Türkischen immer noch „Rum“, also Römer, die im 4. Jh. mit Konstantin die Herrschaft in Byzanz übernahmen.

Bekanntlich war Konstantin der erste, der das Christentum zur Staatsreligion erklärte, weshalb sich die orthodoxe Kirche in Konstantinopel auch für die älteste christliche Kirche hält, von der sich alle anderen, inklusive Rom, abgespalten haben.

Der Niedergang dieser einst stolzesten christlichen Kirche begann aber nicht erst mit der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen, sondern knapp 300 Jahre zuvor, als 1204 Konstantinopel durch die Kreuzritter erobert wurde. Statt ins Heilige Land zu ziehen, wurde die größte und reichste christliche Stadt erobert, geplündert und niedergemacht. Erst sechzig Jahre später gelang es dem byzantinischen Kaiser, sie zurückzuerobern. Von diesem Schlag hat sich das Kaiserreich nie wieder erholt, was letztlich erst auch die Eroberung durch die Osmanen ermöglichte. 2001 hat sich der Vorgänger Benedikts, Papst Johannes Paul II., dafür bei seinen Glaubensbrüdern entschuldigt.

Dauerfeindschaft

Nach dem fehlgeschlagenen Angriff der griechischen Armee auf den anatolischen Restbestand des im Ersten Weltkrieg zerschlagenen Osmanischen Reiches im Jahr 1922 erzwangen die türkischen Republikgründer einen Bevölkerungsaustausch – die Griechen verließen ihre Siedlungsgebiete an der türkischen Ägäisküste, alle Muslime mussten Griechenland verlassen. Ausgenommen blieben nur die Istanbuler Griechen.

Doch die bis heute andauernde Dauerfeindschaft zwischen Griechen und Türken auf Zypern schürte immer wieder nationalistischen Hass. 1955 kam es zu einem tagelangen Pogrom gegen die Istanbuler Griechen, das für viele der Anlass war, die Stadt zu verlassen. Diese Flucht war auch der Grund, warum heute nur noch rund 4000 Nachfahren der Byzantiner dort leben.

Zusammengehalten werden sie durch das Patriarchat. Im Friedensvertrag von Lausanne 1923 wurden die Rechte der christlichen Minderheiten geregelt. Danach ist die Gemeinde intern autonom, sie untersteht aber der Rechtsaufsicht des Innenministeriums und ihre Liegenschaften sind in einer Stiftung zusammengefasst, über die sie nicht frei verfügen kann. Einer der wichtigsten Streitpunkte heute ist die Ausbildung von Priestern. Die griechisch-orthodoxe Hochschule wurde 1974, wieder im Zuge einer Zypernkrise, geschlossen. Eine Wiedereröffnung will die türkische Regierung nur als Teil der theologischen Fakultät der Istanbuler Universität zulassen, das Patriarchat besteht darauf, dass die Hochschule autonom sein muss. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 1.12.2006)