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Die Österreichische Rechtsanwaltskammer macht sich in ihrem aktuellen Wahrnehmungsbericht Sorgen um den eklatanten Personalmangel im Justizbereich - und bleibt mit ihren Warnungen nicht alleine.

Foto: Reuters/Boyce
Ein Jahr Warten auf eine Berufungsentscheidung gegen ein Urteil eines Bezirksgerichtes. Fast zwei Monate Warten auf die bloße Zustellung einer Klage. Zehn Monate zwischen Abschluss der Verhandlung und Urteilszustellung.

"Natürlich gibt es im österreichischen Rechtssystem vieles, das gut funktioniert – aber eben auch Sachen, die nicht funktionieren", bringt es die Vizepräsidentin der Österreichischen Rechtsanwaltskammer (ÖRAK), Waltraute Steger, auf den Punkt. "Der Bürger kommt leider in vielen Fällen nur sehr, sehr verzögert zu seinem Recht". Die Wartezeiten hätten in den letzten Jahren weiter zugenommen – und nicht nur die medial ohnehin schon publik gemachte konstante Überlastung der Richter ist daran schuld. Im Gegenteil: "Was das richterliche Personal angeht, hat man offenbar eine Lösung gefunden", so Steger.

Die Mühlen mahlen langsam

Das wahre Problem liege woanders: "Das Fehlen von nicht-richterlichem Personal ist dramatisch geworden". Auch SP-Justizsprecher Hannes Jarolim beklagt, dass der Mangel an nicht-richterlichem Personal "eklatant" sei - durch Stellenkürzungen seitens des Justizministeriums. Dort sieht man das anders: Man habe durch personelle Aufstockungen sogar ein "Netto-Plus" erreicht.

Die Mühlen der österreichischen Justiz mahlen auf jeden Fall langsam – nicht nur in Verfahren vor ordentlichen Gerichten, sondern auch bei Verwaltungsverfahren. Schon in den vergangenen Jahren war ein Großteil der Fälle, die an die Volksanwälte herangetragen wurden, mit diesem Misstand befasst.

Menschenrecht auf schnelles Verfahren

Im Jahr 2005 wandten sich insgesamt 16.133 BürgerInnen mit ihrem Anliegen an die Volksanwaltschaft. 6.569 Prüfungsverfahren wurden eingeleitet, 4.044 davon betrafen die Bundesverwaltung. Eines der Dauerthemen war, wie auch schon in den Jahren zuvor, die lange Dauer von Verfahren. So machten die VolksanwältInnen etwa auf ein insgesamt 23 Jahre dauerndes Asylverfahren aufmerksam. Sie hielten fest, dass die Nichterledigung von Anträgen innerhalb einer angemessenen Frist ein ernstes "staatsorganisationsrechtliches Problem" darstelle und den Rechtsstaat gefährde.

Das Recht auf ein angemessen schnelles Verfahren wird aus Art. 6 Abs. 1 EMRK abgeleitet: "Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird." Das Fazit aus der umfangreichen Rechtssprechung zur Verfahrensdauer: Auch durch ein Unterlassen gerichtlicher Tätigkeit können Grundrechte verletzt sein.

Jahrelange Asylverfahren

Zermürbendes Warten auf Entscheidungen gehört für diejenigen, die als Antragssteller oder Delinquenten mit dem österreichischen Rechtssystem zu tun haben, zum Alltag. Besonders dramatisch ist das dann, wenn es nicht um "Bagatellen" geht, sondern um lebenswichtige Entscheidungen – wie das etwa im Asylrecht der Fall ist.

"Ein Asylwerber hat Anspruch darauf, möglichst schnell zu erfahren, ob er Asyl in Österreich bekommen wird oder nicht", betont ÖRAK-Präsident Gerhard Benn-Ibler. Ein schnelles, faires, rechtsstaatliches Verfahren müsse "im Sinne eines humanistischen Menschenbildes" gewahrt bleiben und auch Asylwerbern zugänglich sein. Das Fremdenrechtspaket 2005 sieht Benn-Ibler in Teilen als verbesserungswürdig an, aber: "Von einer Grundrechtswidrigkeit im Sinne der Menschenrechtskonvention will ich nicht reden". (Anita Zielina)