Ex-Dissident und Satiriker Wladimir Woinowitsch.

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STANDARD: Was sagen Sie zu den jetzigen Vergiftungsfällen?

Woinowitsch: Irgendein dreckiges politisches Spiel geht vor sich, worin ich mich nicht auskenne. Als Gegner des totalitären Systems war ich lange Anhänger aller Veränderungen. Jetzt aber bildet sich irgendein neuer Staat heraus, in dem völlige Willkür, Korruption und kriminelle Elemente herrschen. Ich sehe keine Stabilität.

Je näher die Präsidentschaftswahlen 2008 kommen, umso dreckiger werden die kriminellen Methoden in den Polittechnologien. Die Vergiftung des Ex-Premiers Gajdar kann ich überhaupt nicht verstehen. Mit dem Fall Litwinenko sollte wohl gezeigt werden, dass man lange Hände hat und die Nötigen überall erwischt.

STANDARD: Sie verdächtigen recht eindeutig die russischen Machthaber.

Woinowitsch: Ich bezweifle sehr, dass Emigrantenkreise dahinterstehen. Die Handschrift der Vergiftungen ist mir sehr bekannt. Wie die Dinge sich darstellen und von offizieller Seite erklärt werden – das verweist auf alte Methoden. Ich erinnere mich gut an den Mord am Dissidenten Konstantin Bogatyrjow 1976 – im Westen erklärte man auch, dass der KGB nicht beteiligt war. Uns aber hat man klar gezeigt, dass man es auch weiterhin so tun würde.

STANDARD: Sie selbst wurden ab Ende der 60er- Jahre verfolgt, nachdem Ihr Werk „Tschonkin“ im Westen erschienen ist. 1975 wurden Sie vom KGB vergiftet. Wie ging das vor sich?

Woinowitsch: Man hatte mir zuvor mehrmals bedeutet, auszuwandern und am „Tschonkin“ besser nicht weiterzuschreiben. Dann kam das Verhör im KGB-Gebäude. Ich hatte die Gewohnheit, meine Zigarettenschachtel immer auf den Tisch zu legen und zu rauchen. Einer der zwei Ermittler fragte mich wiederholt, ob er eine Zigarette haben dürfte. Dort hat man mich offenbar getestet.

STANDARD: Wann fand die Vergiftung statt?

Woinowitsch: Später, im Hotel „Metropol“. Ich trank und aß nichts, aber ich rauchte und hatte die Zigarettenschachtel wieder auf dem Tisch. Der KGB-General Smolin hat mir ein Bild an der Wand gezeigt und mich so abgelenkt. Unterdessen wurden offenbar die Zigaretten ausgetauscht. Als ich wieder rauchte, wurde mir ungemein schlecht.

Eine Vergiftung ist ja keine so ganz greifbare Erscheinung. Ich besuchte alsbald heimlich einen Arzt. Der war verblüfft, weil mit meinem Organismus etwas nicht in Ordnung, die Ursache aber nicht festzustellen war. Mir war lange Zeit noch elend, ich wusste kein Heilmittel. Die Attacken, die ich hatte, hörten erst im Exil nach 1980 allmählich auf.

STANDARD: Wie erlangten Sie den Beweis, dass Sie vergiftet wurden?

Woinowitsch: Nachdem ich aus dem Exil zurück war, schrieb ich 1992 an Jelzin. Der verlangte, dass man mir die Akten zeigte. Beim KGB hat man dennoch lange gezögert und wieder gelogen. Als ich dann mit der Forderung nach einer Erklärung schon an die Öffentlichkeit ging, gab einer im KGB zu, dass man mich vergiftet hatte – in einer Zeit, als, wie er sagte, die ganze Gesellschaft bei uns vergiftet war. Ein General hat mir dann gesagt, dass man mich nicht hatte umbringen wollen, sondern mit einem Mittel bearbeiten, das das Gehirn schädigt.

STANDARD: Hatten Sie im Exil Angst vor dem KGB?

Woinowitsch: Ich hatte einen einzigen Tag in meinem Leben Angst, und zwar nach der Vergiftung, denn ich erzählte alles meinen Freunden und gab eine Erklärung für die ausländischen Korrespondenten ab. Auf dem Heimweg merkte ich, dass ich bespitzelt wurde wie noch nie. Ich fürchtete eine Ermordung wegen der Erklärung. (Eduard Steiner, DER STANDARD, Printausgabe, 2./3. Dezember 2006)