Seit einigen Tagen sorgt Carter mit seinem neuesten Buch "Palestine: Peace not Apartheid", in dem er sich sehr kritisch mit der Rolle Israels im Nahost-Konflikt auseinander setzt, für Aufregung und Diskussionen in den USA. Das Buch solle provozieren, um wieder eine Diskussion in Gang zu bringen, sagte Carter und fügte hinzu: "Niemand kritisiert Israel in den USA. Es wird nicht einmal akzeptiert, wenn man sagt, man habe eine ausgewogene Meinung zum Nahost-Konflikt oder man unterstütze das Recht der Palästinenser auf ihr Land und fordere einen Abzug Israels aus den besetzten Gebieten". Die Unterstützer Israels würden in den USA eine sehr einflussreiche Rolle im politischen Prozess spielen.
Frühere US-Regierungen hätten mit Wort und Tat gezeigt, dass sie um Israels Frieden besorgt sind, aber auch um Frieden und Gerechtigkeit für die Palästinenser. "Das war so bei mir, bei Ronald Reagan, bei George Bush senior, bei Bill Clinton. Aber das wird jetzt nicht mehr getan." In der arabischen Welt gebe es den Eindruck, dass die derzeitige US-Regierung unter George W. Bush keinen Gedanken an den Kampf der Palästinenser verschwende. "Man muss nicht gegen Israel sein, um die Rechte der Palästinenser auf ihr eigenes Land und auf ein Leben in Frieden zu befürworten."
Keine Anstrengungen von Bushs Seite
Die Bush-Regierung habe jedenfalls keine Anstrengungen unternommen. "In den vergangenen sechs Jahren gab es nicht einen einzigen Tag mit Friedensgesprächen zwischen Israel und den Palästinensern. Und natürlich erwartet sich die ganze Welt, dass der Initiator von solchen Gesprächen die USA sind." Wenn die Bush-Regierung in den kommenden zwei Jahren (bis zum Ende der Amtszeit von Bush, Anm.) nichts unternimmt, dann könne das internationale Nahost-Quartett die Aufgabe übernehmen.
Die USA hätten ihre Vormachtstellung und ihren Einfluss in der Region wegen des Irak-Kriegs und noch mehr wegen der fehlenden Thematisierung des Palästinenser-Problems verloren. "Dass man sich nicht bemüht hat, Frieden im Heiligen Land zu schaffen, ist der Hauptgrund dafür, dass sich die arabische Welt gegen uns gewandt hat. Als ich Präsident der USA war, hatten wir fast einhellige Unterstützung und Sympathie in Ländern wie Jordanien und Ägypten. Nach neuen Umfragen haben weniger als fünf Prozent der Bewohner in Jordanien oder Ägypten heute noch eine gute Meinung von der US-Regierung", sagte Carter.