London - Premierminister Tony Blair hat im britischen Unterhaus einen milliardenschweren Modernisierungsplan für die Atomstreitkräfte des Königreiches vorgestellt. Auch nach dem Ende des Kalten Kriegs bestünden weiterhin gefährliche Bedrohungen, sagte Blair am Montag und nannte ausdrücklich Nordkorea und den Iran. "Unter diesen Umständen wäre es unklug und gefährlich für Großbritannien, als einzige der Atommächte seine unabhängige atomare Abschreckung aufzugeben", sagte Blair.

Der Premier, der im kommenden Jahr sein Amt zurücklegen will, versuchte mit Detaillösungen Kritikern in seiner eigenen Labour-Partei entgegenzukommen. So bezeichnete er es als möglich, die Zahl atomarer Sprengköpfe von derzeit 200 auf 160 zu verringern. Die Zahl der mit Atomwaffen bestückten U-Boote könnte von derzeit vier auf drei reduziert werden. Die neue, verkleinerte Flotte würde dennoch allein an die 20 Milliarden Pfund (29,7 Mrd. Euro) kosten.

Blair teilte mit, dass die USA die gemeinsame Weiterentwicklung der von beiden Staaten derzeit genutzten Trident-D5-Rakete zugesagt hätten. Auch die Planung einer in den 2040er Jahren anstehenden Nachfolgerrakete habe US-Präsident George W. Bush schriftlich zugesagt.

Die Entscheidungen über die Zahl der U-Boote und der neuen Raketen soll nach Blairs Angaben erst das nächste Parlament treffen, das 2009 gewählt werden dürfte. Der konservative Oppositionsführer David Cameron unterstützte Blairs Atomwaffen-Pläne, betonte aber, dass man sich die Option auf ein viertes mit Atomwaffen bestücktes U-Boot offen halten sollte.

Vor dem Auftritt Blairs im Unterhaus hatte sich das britische Kabinett auf das neues Weißbuch zur Modernisierung des gegenwärtigen Trident-Systems geeinigt. Die Lebenszeit des bisherigen britischen Atomwaffen-Arsenals endet 2024. Demnach soll die neue Generation von Atom-U-Booten dazu in der Lage sein, Trident-Langstreckenraketen sowie ein Nachfolgesystem zu tragen. Wegen der langen Entwicklungsdauer müssten die Entscheidungen über die neuen Systeme jetzt getroffen werden, heißt es in dem Weißbuch.

Blair warf im Unterhaus Nordkorea und dem Iran "zweifelhafte Absichten" bei der Entwicklung ihrer Atomprogramme vor. Von diesen Staaten gehe eine "potenziell gefährliche Bedrohung" aus, die in einigen Fällen durch eine Verbindung mit dem internationalen Terrorismus noch verstärkt werde. Blair gab jedoch zu, dass selbst ein modernisiertes, atomares Abschreckungsprogramm bei der Bekämpfung des Terrorismus wenig wirksam sei. "Es wird jedoch Einfluss auf Regierungen haben, die Terroristen unterstützen", so Blair. Nordkorea hatte im Oktober erstmals einen Atomtest ausgeführt; der Iran wird trotz eigener Dementis vom Westen verdächtigt, ebenfalls nach Atomwaffen zu streben.

Das britische Parlament wird voraussichtlich im März kommenden Jahres über die Modernisierung des Atomprogramms abstimmen. Dabei könnte Blair wegen des parteiinternen Widerstands auf Stimmen der konservativen Opposition angewiesen sein. Für Labour sind Atomwaffen ein heikles Thema, weil die Partei bis Ende der 80er Jahre für eine einseitige nukleare Abrüstung geworben hatte.

Kritiker auch in Blairs Labour-Partei werfen der Regierung vor, sie laufe Abrüstungsbemühungen entgegen. Die "Kampagne für nukleare Abrüstung" legte gemeinsam mit mehr als 30 Abgeordneten aus Blairs Partei einen Alternativplan vor. "Wir müssen ernsthaft danach fragen, wen wir abschrecken wollen und ob das Trident-System das richtige Mittel dafür ist", sagte der Labour-Abgeordnete Peter Kilfoyle. UNO-Generalsekretär Kofi Annan hatte in der vergangenen Woche in einer Grundsatzrede die Atommächte ermahnt, ihre Pflicht zur Abrüstung gemäß dem Atomwaffensperrvertrag (Non-Proliferation Treaty/NPT) ernster zu nehmen. (APA/AP)