Jausenzeit bei den Partisanen: Daniel Doujenis bereitet Gämsenhirn zu.

Foto: Bühnen Graz/ Manninger
Graz - Die Gestapo hoppelt auf Steckenpferdchen durch den Stangenwald. Der Freiheitskämpfer kocht im Unterstand frisches Gämsenhirn: Wo das Stadttheater heute Geschichtsaufarbeitung betreibt, ist die Persiflage nicht weit. Da reiht sich auch Franzobels Hirschen feierlich ein, ein die Geschichtsschreibung mitkorrigieren helfendes Partisanen-Stück, dem Regisseur Georg Schmiedleitner am Grazer Schauspielhaus am vergangenen Donnerstag zu einer bejubelten Uraufführung verhalf.

Als Bekenntnis zu ihrer neuen künstlerischen Heimat betraute Intendantin Anna Badora den Autor Franzobel mit einem steirischen Thema: den Freiheitskämpfern im Ausseer Gebirgsland.

Der rohe, zuweilen infantile Sprachduktus hat den einstigen Bachmannpreisgewinner Franzobel vorläufig ins Volkstheater katapultiert. Und zusammen mit seinem oberösterreichischen Landsmann und Regisseur Schmiedleitner bekam er das auch schriftlich, bzw. bildnerisch: Der Vorjahres-Nestroy für das beste Stück ging an ihn bzw. die neu gegründete Volkstheaterinitiative "Hausrucktheater" für das Februar-'34-Stück Hunt. Dasselbe Team, Franzobel, Schmiedleitner und Bühnenbildner Stefan Brandtmayr, ist jetzt in Graz am Werk.

Während Franzobel in Hirschen dem Milieu versprengter Älpler (Ernst Prassel) sprachlich nachschenkt ("Do soacht de Kuh") und mit grotesken Dialogen den Geschichtsdämon schrumpft (Der Ex-Nazi zum Ex-KZ-Häftling: "Bist ma no bös?"), dreht Schmiedleitner in Bretterwandschluchten an der expressionistischen, guten, alten Volkstheatermaschine.

Langsam langlaufen

Vorn lagern die Partisanen mit ihrem Anführer Sepp Plieseis (Daniel Doujenis), hinten eröffnet ein großes Schiebetor die Cinemascope-Sicht auf die (bereits lächerliche) Kriegswelt der Nazis. Zum Besten gehört dabei der Zeitlupenlanglauf des Gestapomannes (Jan Thümer) im Märchenschneeschaum der zukünftigen Heimatfilm-Verklärung. Immer schön fit bleiben für die Postenvergabe bei Kriegsschluss!

Julia Cencig hockt als notgeile Kulleraugen-Resi neben einem wunderbaren Franz Solar als treue Seele im Widerstandsnest. Fliegerbomber überziehen schließlich im dröhnenden Filmbild den Bretterhimmel, bevor der Befreiungstaumel (Kaugummiregen) direkt übergeht in das besungene Narzissenfest namens Österreich.

Auch wenn das "Denkmal" Ironie behauptet: Der berühmte Sprachwitz Franzobels kann sich des schalen Geschmacks der politisch korrekt anempfohlenen Geschichtsnachbesserung nun nicht ganz erwehren. Das Theater blieb in dieser handwerklich passablen Arbeit doch weit gehend eingesperrt. (Margarete Affenzeller /DER STANDARD, Printausgabe, 05.12.2006)