Jeweils montags, mittwochs und freitags eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Es war heute früh. Da meinte A. beim Frühstück, dass sie es für eine eher eingeschränkt geniale Idee hielte, diese Kolumne so zu beginnen, wie ich es eigentlich vorgehabt hatte. Weil das nicht gerade aufmunternd, sexy, zum Weiterlesen einladend oder sonst wie animierend klänge. Aber: A. hat keine Ahnung – jedenfalls nicht vom Kolumnenschreiben. Deshalb beginnt dies Kolumne so, wie sie beginnen muss. Weil sie nur so beginnen kann:

Es war gestern. Da roch es auf meinem Klo ziemlich seltsam. Eigentlich nicht nur am Klo, sondern auch schon davor. Und wenn man ganz genau schnüffelte, war im kompletten Einzugsbereich der Toilette dieser komische Geruch zu erkennen. Latent halt: Es roch nicht nur seltsam, sondern sogar erstaunlich seltsam. Und keinesfalls gut. Ganz im Gegenteil.

Raumdeo

Mit üblichen unangenehmen Klo-Gerüchen hatte das freilich nichts zu tun. Oder anders gesagt: Es roch nicht organisch. Auch nicht chemisch-hygienisch oder dufttannen-raumkunstdeoartig. Sondern künstlich – und einfach falsch. Süßlich. Kitschig. Ein bisserl nach Lebkuchenaroma aus der Dose. Und wenn ich all diese Raumerfrischungsdüfte schon im zivilen Umfeld nicht ertrage – am Klo brauche ich sie auch nicht. da mache ich nämlich das Fenster auf. Punkt.

Zuerst fiel mein Verdacht auf meine Putzfrau. Die hat nämlich mitunter lustige Ideen. Gutgemeinte Ideen. Und obwohl sie in ihrem Heimatland ein fast fertiges Biologiestudium vorzeigen könnte (trotzdem aber aus 1001 nachvollziehbaren Gründen in Österreich besser und sicherer lebt) ist ihr das Prinzip binärer chemischer Waffen bisher immer ein Mysterium geblieben: Vermutlich ist es nur ein glücklicher Zufall, dass bei der durch die gute Dame im besten Wollen zusammengebrauten Power-Chemiecocktails bisher nie was böseres als grauenhafte Gerüche (und interessante Farbspuren in Kübeln und Abflüssen) entstanden ist. Aber artifizieller, penetranter Lebkuchen-Duft (mit einer Spur Reisig) würde Kalkül und Absicht voraussetzen – und so eine ist meine Raumkosmetikerin nicht.

Winterduft

Dann fiel mein Blick auf das Klopapier. Besser: Auf die Verpackung. Und dann war mir alles klar. Auf der Packung steht nämlich „Jetzt mit Winterduft“. Oder so was Ähnliches. Und weil es vermutlich ein bisserl aufwändig wäre, das Papier einzudampfen, hat man die inneren Rollen beduftet. Das steht auch auf der Packung. Und während das eingepackte Papier im Drogerie-Ambiente absolut unauffällig daherkam, verbreitete das Lebkuchenaroma dann auf der vergleichsweise kleinen Locus-Fläche seine ganze, geballte, verheerende, synthetische „Winterduft“-Wirkung.

Es war dann Kollege F., der mir den entscheidenden Tipp gab, wie ich den olfaktorischen Winter wieder aus meinem Häusl weg bekäme und trotzdem nicht das Klopapier entsorgen müsste: Ein guter Freund, gestand der Kollege, sei nämlich jener Produktmanager des Klopapierhersteller, der maßgeblich an der Idee der bedufteten Kartonrolle Mitschuld sei. Und der auch die Düfte aussuche.

Der Freund, sagt Kollege F., bereue diese Idee mittlerweile. Weil sich sein ganzer Bekanntenkreis schon räche: Entweder durch den Kauf von Konkurrenzprodukten –(wobei die Gefahr, dass die demnächst zu „duften“ begännen, nicht von der hand zu weisen sei) oder aber man drücke den Kartonkerns aus der Rolle – und deponiere das duftende Röllchen dann unauffällig und diskret in der Wohnung oder im Auto des guten Mannes. Er, F., käme in den nächsten Tagen sicher wieder zu dem Duft-Initiator – und er würde meine Rollen mit Freude zustellen. Allerdings nur in einem gut verschlossenen Sackerl.