Billa sperrt sonntags an Bahnhöfen auf. Der Vorstoß einiger Wiener Händler für eine generelle Sonntagsöffnung stößt bei Handelsangestellten aber auf wenig Gegenliebe.

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Wien – Elisabeth T. ist Verkäuferin einer Modekette in Wien. Sie steht jeden Samstag in der Filiale, sagt sie dem Standard. Nicht freiwillig. Doch wer sich wehre, sei den Job los. Die Diskussion über das Einkaufen am Sonntag stößt ihr bitter auf. Es bleibe für Angestellte sicher nicht bei einem Sonntagsdienst im Monat, sagt sie. "Es stehen vor allem Frauen im Handel. Das zerreißt die Familien, und die Leute sind bereits jetzt total reizüberflutet." Auch die Leiterin eines Wiener Humanic-Geschäfts hält nichts vom offenen Sonntag. "Das bringt uns nicht mehr als ein paar Schaulustige."

Mitarbeiter einer Interio-Filiale, deren Chefin Janet Kath offensiv für den offenen Sonntag eintritt, sind zu keiner Stellungnahme bereit. Nur so viel: Glücklich sei sie nicht darüber, meint eine Verkäuferin. Sie habe aber gehört, es werde im Fall einer Sonntagsöffnung ein eigenes Team geben. Johann L., Feinkostleiter einer Billa-Filiale, sieht die Sache pragmatisch. „Ich bin gelernter Koch. Da gehört es dazu, an den Feiertagen zu arbeiten.“ Die Lebensmittelmärkte seien meist bis spät abends gerammelt voll. "Ich versteh ja die Leute, die sonntags einkaufen wollen." Freilich, für die Mitarbeiter mit Familie sei es ein harter Job.

Durch die Hintertür

Der Literaturstudent Simon jobbt in einer Buchhandlung, die – da an einem Bahnhof – auch sonntags offen hält. Für ihn sei das ideal, er selbst sehe aber keinen Grund, um am Sonntag shoppen zu gehen. "Die Wiener sollen sich auf was anderes konzentrieren als aufs Einkaufen." Helmut Rauter von der Buchhandlung Boox hätte nichts gegen mehr Liberalisierung. "Beschränkungen sind hier nicht mehr zeitgemäß." Ein Kollege dehnt die Ladenöffnung bereits jetzt nach eigenem Ermessen aus. Solange man sich unauffällig verhalte, sehe die Behörde darüber hinweg, sagt er. Wenn jedoch alle aufsperrten, sei der Vorteil für Einzelne dahin. Sich unauffällig verhalten wollen drei Wiener Geschäftsleute freilich nicht. Sie haben angekündigt, auch an kommenden Adventsonntagen trotz Geldstrafen aufzusperren.

Ziel der Offensive ist es, den freien Sonntag auszuhebeln. Alexander Zach (die Liberalen) will dafür bis heute 500 Unterschriften gesammelt haben, die er dem Parlament vorlegt. „Es geht uns um eine Kann- und keine Muss-Bestimmung.“ Ein Muss seien jedenfalls hohe Lohnaufschläge. Gabriele Kienesberger von der Allianz für den freien Sonntag ist überzeugt: "Fällt der Sonntag, dann fallen über kurz oder lang auch die Zuschläge."

Neben Verfechtern des Einkaufssonntags formieren sich jetzt die Gegner, darunter 56 Organisationen, vom Alpenverein bis zum Wirtschaftsforum der Führungskräfte. "Ein kleiner verschworener Kreis will einer klaren Mehrheit seinen Willen aufzwingen", ärgert sich GPA-Vizevorsitzender Franz Georg Brantner. Sie würden zu Widerstandskämpfern, zu Helden hochstilisiert. Friedrich Macher, Kühne-&-Nagel-Chef und Sprecher der Sonntags-Allianz, bezweifelt, dass Kaufkraft aus Österreich ins Ausland abfließt. Auch die Grünen sehen keinen Handlungsbedarf für längere Öffnungszeiten. Stattdessen gehörten die Arbeitsbedingungen im Handel verbessert. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.12.2006)