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Hundertausende gingen gegen die Regierung auf die Straßen

foto: apa/epa
Beirut - Hunderttausende Libanesen haben am Sonntag auf einer Massenkundgebung in der Hauptstadt Beirut den Rücktritt der Regierung gefordert, in der die zahlenmäßig größte Bevölkerungsgruppe, die Schiiten, nicht mehr vertreten sind.

Am Sonntagabend hat jedoch der Führer der schiitischen Hisbollah-Organisation, Scheich Hassan Nasrallah, nach Angaben der Arabischen Liga Vorschläge für einen Ausweg aus der politischen Krise des Libanon akzeptiert. Der Libanon-Sondergesandte der Liga, Mustafa Ismail, sagte am Sonntag dem arabischen Satellitensender Al-Arabiya, Nasrallah habe den Vorschlägen im Grundsatz zugestimmt. Ähnlich hatte sich zuvor ein Liga-Vertreter in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad geäußert. Einzelheiten aus dem Sieben-Punkte-Plan wurden zunächst nicht bekannt.

Der bedrängte vom Westen unterstützte anti-syrische Regierungschef Siniora hatte sich am Sonntag zu einem Dialog mit der Opposition bereit erklärt. Der Libanon dürfe nicht zu einer "Arena der Kriege anderer" werden, mahnte Siniora mit Blick auf Syrien und den Iran, die die Hisbollah unterstützen.

Die Hisbollah fordert gemeinsam mit ihrem Verbündeten, der Amal, ein Drittel der Kabinettsposten. Damit hätten die beiden schiitischen Parteien ein Vetorecht im Kabinett. Nasrallah hatte kürzlich angekündigt, die Proteste würden solange fortgesetzt, bis die Opposition vollständig an der Macht beteiligt werde.

Ultimatum von Aoun Der christliche Oppositionspolitiker und Hisbollah-Verbündete Michel Aoun hatte am Sonntag Premier Siniora ein Ultimatum von einigen Tagen gestellt, um der Bildung einer Regierung der nationalen Einheit zuzustimmen. Sonst gebe es eine Übergangsregierung und Neuwahlen, sagte Aoun, der per Videoschaltung auf Großbildleinwänden zu der nahe des Regierungssitzes in Beirut demonstrierenden pro-syrischen Opposition sprach. Diese Übergangsregierung solle vorgezogene Parlamentswahlen vorbereiten, sagte Aoun.

Der stellvertretende Hisbollah-Chef Scheich Naim Kassem rief seinerseits an die Adresse der pro-westlichen Rumpfregierung unter dem sunnitischen Ministerpräsidenten Fouad Siniora: "Ihr habt eine Sünde begangen und das Land zerstört!" Der schiitische Politiker warf Siniora vor, den Libanon an die amerikanische Interessenpolitik ausgeliefert zu haben. "Jetzt gibt es keinen Platz mehr für Amerika im Libanon", erklärte Kassem. Die Demonstranten skandierten "Siniora raus!" und "Beirut ist frei!" Bei der Demonstration, einer der größten in der libanesischen Geschichte, kam es zu keinen größeren Zwischenfällen.

Nähe zu den USA

Auch der scharfe Syrien-Gegner Aoun wirft Siniora eine zu große Nähe zu den USA vor. Der pro-westliche General war 1990 von Washington fallen gelassen worden, nachdem sich Syrien der antiirakischen Koalition angeschlossen hatte. Die USA ließen damals dem Regime in Damaskus freie Hand im Libanon, General Aoun musste in die französische Botschaft flüchten und lebte von 1990 bis 2005 in Frankreich im Exil. Nach dem syrischen Truppenabzug im Vorjahr kehrte Aoun im Triumph nach Beirut zurück. Mit Hilfe der seit dem Krieg gegen Israel im Juli und August innenpolitisch erstarkten Hisbollah will der General Staatspräsident werden.

Die antisyrische Koalition unter Siniora stellt mehr als 70 der 128 Parlamentsmitglieder. Die Verfassung des Landes schreibt allerdings vor, dass alle großen Religionsgemeinschaften in der Regierung vertreten sein müssen. Die schiitisch-christliche Opposition hatte ihren Sitzstreik rund um den Regierungspalast "Grand Sérail" am 1. Dezember gestartet. "Wir werden unser Recht so lange weiter ausüben, bis diese Regierung stürzt", sagte Kassem.

Zufahrtsstraßen abgeriegelt

Mehrere Zufahrtsstraßen in Beirut wurden von Soldaten und Polizisten abgeriegelt und Sinioras Amtssitz mit Stacheldraht gesichert. Die Polizei hatte zunächst keine Informationen über die Zahl der Kundgebungsteilnehmer am Sonntag. Die Demonstration könnte nach Einschätzung von Beobachtern eine der größten in der libanesischen Geschichte werden.

Die jüngste politische Krise verschärfte sich nach der Ermordung des anti-syrischen Industrieministers Pierre Gemayel am 21. November. Die Hisbollah- sowie ein christlicher Minister hatten kurz zuvor die Regierung Siniora verlassen.

Merkel kritisiert Rolle Syriens

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte unterdessen die Rolle Syriens im Nahost-Konflikt. "Ich kann nicht erkennen, dass Syrien konstruktive Schritte unternehmen will", sagte Merkel am Sonntag nach einem Treffen mit dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak in Berlin. Als Negativbeispiel nannte sie die anhaltende Weigerung Syriens, den Libanon anzuerkennen. Deutschland und Ägypten unterstützten die Existenz eines souveränen Libanon. "Unsere gesamte Unterstützung gilt Herrn Siniora", sagte Merkel. Mubarak sagte, es gelte den Libanon aufzubauen und nicht zu zerstören. (APA)