Wien - Eine "zeitgenössische Kinderoper", das mag als Quadratur des Kreises scheinen. Insbesondere dann, wenn der Tonsetzer jedweder künstlerischen Kompromisshaltung derart unverdächtig ist wie Wolfgang Mitterer. "Den Am-dam-des-Mahlstrom zu umschiffen" war denn auch eine der Herausforderungen, die Mitterer dazu reizte, sich dem schwierigen Genre zu stellen.
Mitterer löst die Aufgabe mit einfachen, aber wirkungsvollen Maßnahmen: Zum einen, indem er vokale und instrumentale Ebene entkoppelt und den Plot soundtracknah vertont. Das Begleitensemble sieht sich auf zwei Instrumentalisten reduziert, wobei neben Jazzbassist Karl Sayer vielleicht erstmals in einem Mitterer-Werk der Komponist nicht selbst am Synthesizer zugange ist, er diesen Part Michael Tiefenbacher überantwortet, der die gesampelten Sounds in bewährter Manier fauchen und knarzen lässt, um mit illustrativen Einsprengseln wiederholt Synchronisationspunkte zuzulassen.
In dieses auch psychologisierende Soundenvironment sehen sich auf einer unabhängigen metrischen Ebene die Stimmen gestellt: klar und unmanieriert, tonale Linienführung nicht scheuend und doch gekonnt Klischees vermeidend. Mitterer und den vorzüglichen Ausführenden gelingt das Kunststück, die vokalen Parts eingängig und anspruchsvoll zu gestalten.
Und Textverständlichkeit auch dann zu gewährleisten, wenn die Prinzessin, das verwöhnte Töchterlein (Theresa Dlouhy), ihren falschen Jubel über den vermeintlichen Helden zu Gezwitscher in schweißtreibenden Höhen veranlasst. Auch Elisabteh Rombach (als Schneiderlein), Gebhard Heegmann und Clemens Kölbl (die Berater) sowie Jürgen Maurer (König) überzeugen stimmlich. Mitterers intelligente Umsetzung des Stoffs trifft auf eine höchst prägnante szenische, verantwortet von Helga Utz (Dramaturgie, Libretto) und Jewgenij Sitochin (Inszenierung): Das Bühnentreiben lebt optisch von amüsanten Details wie scharf geschnittenen Charakteren, wobei vor allem Juergen Maurer als Prolo-Majestät, zu Recht die meisten Lacherfolge erntet. Die Dynamik des Plots hätte es indessen auch vertragen, in der Gestaltung einer klischeebehafteten Rolle, wie der des stotternden Riesen, im Sinne etwas zeitgemäßerer Pädagogik vom Original abzugehen, so, wie man es klugerweise auch am Ende getan hat - indem offen bleibt, ob Prinzessin und Schneiderlein wieder ihr Glück finden werden. (Andreas Felber/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11. 12. 2006)