Wien - "Seit dem 8. Dezember 1995 wird die Ladenöffnungstür Jahr für Jahr sukzessive ein Stück weiter geöffnet", sagte Johannes Fenz, Präsident des Katholischen Familienverbandes und warnt vor einem unaufhaltsamen Dominoeffekt, den die laufende Ladenöffnungsdebatte auslösen könnte. "Heute ist es der Handel der am Sonntag aufsperren möchte, morgen sind es die Friseure und übermorgen vielleicht die Reparaturwerkstätten. Wir dürfen uns nicht von ein paar Wenigen diktieren lassen, denen es ausschließlich um Gewinnmaximierung und Umsatzsteigerung geht." Fenz ist überzeugt: Bröckelt die Sonntagsruhe, steht eine soziale Errungenschaft zur Disposition, deren gesellschaftspolitische Auswirkungen unüberschaubar sind.

"Ein gemeinsamer freier Tag ist sozial, kulturell und religiös unverzichtbar. Er schafft gesellschaftlichen Freiraum und ist ein Garant dafür, dass ein kleiner Teil meiner Zeit selbst bestimmt ist", so Fenz weiter. Er wies darauf hin, dass der arbeitsfreie Sonntag Lebensqualität bedeute, weil er gemeinsame freie Zeit für Familie ermöglicht. Wird der Sonntag zum Werktag, müssten alle "Spitäler, Altersheime, Polizei oder öffentliche Verkehrsmittel auf Hochtouren arbeiten und jedes Familienmitglied hätte seinen ‚eigenen, anderen Sonntag’. "Damit fehlt die Grundlage für gemeinsame, verlässliche Strukturen, die den Kindern Halt und Orientierung geben. Kinder brauchen die Sicherheit regelmäßiger Zeitrhythmen. Der Sonntag ist oft der einzige Tag in der Woche, den Eltern gemeinsam mit ihren Kindern verbringen und an dem Familienrituale gepflegt werden können."

Fenz gab zu bedenken, dass eine Lockerung der Sonntagsruhe zu Lasten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehe. "Faktum ist, dass von den 320.000 Personen, die im Handel beschäftigt sind, 70 Prozent Frauen sind und Kinderbetreuung noch immer vorwiegend Frauensache ist", sagte Fenz. "Die Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen und die Ladenöffnungszeiten passen schon jetzt nicht zusammen. Was machen berufstätige Eltern oder Alleinerzieherinnen mit ihren betreuungspflichtigen Kindern, wenn sie bereits im Morgengrauen, bis spät in die Nacht hinein oder am Sonntag im Geschäft stehen müssen und kein privates Betreuungsnetz vorhanden ist?"

"Das Argument, unsere Nachbarländer wären in Sachen Ladenöffnungszeiten wesentlich liberaler, ist lächerliche, ärgerte sich Fenz. "Wir leben in einem christlichen Europa, der arbeitsfreie Sonntag ist die erste soziale Errungenschaft. Haben nicht alle anderen Europäer auch das Recht auf einem gemeinsamen, arbeitsfreien Sonntag?" Fenz forderte die EU-Kommission auf, diesen Flexibilisierungszug zu stoppen und den arbeitsfreien Sonntag in einer EU-Arbeitszeitrichtlinie verbindlich festzuschreiben. (red)