Die Apotheke "Zum Löwen von Aspern" der ARTEC Architekten als Projektion vor dem DAZ in Berlin-Mitte.

Foto: Till Budde
Berlin - Zieht man in der Vorweihnachtszeit durch Deutschlands größte Baustelle, die Hauptstadt Berlin, fallen einem nicht nur die aalglatten Gebäude des neuen Potsdamer Platzes auf, über deren Skyline jederzeit Clark Kent um die Ecke biegen könnte, um einen letzten Kran wegzufliegen, oder der noch planlos wirkende Alexanderplatz, sondern auch ein Heer geradezu alpiner Holzhütten, in denen "Jagatee", Punsch, Lebkuchen oder Spielzeugtrabis angeboten werden. Die kleinen Häuschen, die Hüttenzauber in Containereinheiten verbreiten sollen, machen weder vor dem Sonycenter noch vor dem gläsernen neuen Zentralbahnhof Halt.

Selbst vor dem halb abgerissenen Palast der Republik und in der mondänen Einkaufsmeile Unter den Linden sind sie zu hunderten aufgepflanzt. Architekten, die in dieser Jahreszeit in Berlin zu tun haben, dürften den Punsch, der hier feilgeboten wird, jedenfalls wahrhaftig brauchen. Dabei kann man in den Ausläufern der Alpen offenbar auch zu wirklich spannender Architektur inspiriert werden, wie man spätestens seit den 60ern von den Vorreitern der "Grazer Schule" weiß und wie eine Ausstellung des "Architektur Laboratoriums Steiermark" nun auf verschiedenen Stationen veranschaulicht.

Erster Akt mit Filmen

Eineinhalb Jahre der "Forschungsarbeit" gingen der Schau "Sense of Architecture", die Charlotte Pöchhacker kuratierte, voraus. Nun wurde ihr "erster Akt" im Deutschen Architektur Zentrum (DAZ) in Berlin-Mitte eröffnet. Gemeinsam mit dem Berliner Filmemacher Heinz Emigholz nahm Pöchhacker 58 Projekte unter die Lupe, die alle entweder von steirischen Architekten oder in der Steiermark gebaut wurden. Emigholz baute seine Filmkamera vor Gebäuden wie der Insel in der Mur von Vito Acconci, dem Haus T von Feyferlik/Fritzer oder dem Institut für Pflanzenphysiologie von Klaus Kada auf, um sie dann nicht vom Fleck zu rühren. So erscheinen die schrägen Bilder, die Ausstellungs-Designer Alexander Kada auf einem durchsichtigen Passepartout schweben lässt, wie Fotos - bis sich eine Pflanze im Wind biegt oder Menschen die Bauten vorübergehend beleben.

Fünf Generationen sind in der Ausstellung vertreten, wobei es bei der Zusammenstellung weder um Namedropping gehen sollte, noch die ausgewählten Architekten ausschließlich als Erben von Günther Domenig, Eilfried Huth oder Bernhard Hafner dargestellt werden sollen.

Kritikern, die etwa die Abwesenheit von Aushängeschildern wie Szyszkowitz & Kowalski bedauerten, hält Pöchhacker streitbar entgegen, dass sie nicht "den Anspruch hatte, eine steirische Architekturgeschichte zu schreiben". Auch Lokalkolorit soll nicht den thematischen Kleister zwischen den ausgestellten Planrollen spielen. Viel mehr verbinden sechs Themenfelder, die international eine Rolle spielen, die 58 Gebäude. Eines davon ist Wohnkultur.

Und diese wurde im ersten "Architekturdialog" zwischen in Berlin und der Steiermark bauenden Architekten am Eröffnungsabend erörtert - mit dem Ergebnis, dass Wohnhäuser, wie das nach oben offene Wohnhaus "Liquid Sky" vom Grazer Büro Pentaplan durchaus mit gleichen Zielen geplant wurden, wie Häuser von Berliner Kollegen, die Familien ebenfalls vermehrt "ein eigenes Stück Himmel" mit einplanen. Die Schau ist nach Berlin ab Februar in Paris, dann in Rotterdam und Florenz zu sehen. (Colette M. Schmidt/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. 12. 2006)