Unter Protest aufgelöst
Seit drei Jahren sind in dem 1928 errichteten Gefängnis keine Häftlinge mehr untergebracht, der Jugendgerichtshof wurde unter lautem Protest zahlreicher Richter und Staatsanwälte vom damaligen Justizminister Dieter Böhmdorfer aufgelöst. Vor Kurzem erst ersteigerte die Ceba AG die 6700 Quadratmeter große Immobilie um mehr als fünf Millionen Euro. Doch bevor hier nun ein "Regionalzentrum für Nahversorgung und Begegnung" entstehen soll, haben die Fotografinnen Eva Schlegel und Eva Würdinger mit ihrem Buch "Jugendgericht" (Schlebrügge.Editor) noch einen dokumentarischen Nachruf auf das Ex-Häfen verfasst. Texte von Sabine Folie, Standard-Architekturkritikerin Ute Woltron, BIG-Geschäftsführer Christoph Stadlhuber und anderen Autoren ergänzen die Fotoarbeiten.
In Wien befinden sich derzeit rund 150 Jugendliche zwischen 14 und 18 in Untersuchungshaft, die meisten davon sind in der Justizanstalt Josefstadt untergebracht. "Einem Großteil der Jugendlichen wird Raub vorgeworfen, immer öfter müssen sich auch junge Angeklagte vor einem Geschworenengericht verantworten", erklärt Gerhard Jarosch, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien.
An die Wiedererrichtung eines eigenen Jugendgerichtshofes wird in der Bundeshauptstadt nicht gedacht. Justizministerin Karin Gastinger plant alle U-Häftlinge bis 21 Jahre im neuen Justizzentrum unterzubringen, das 2009 in Betrieb gehen soll. Insgesamt werden dort neben dem zweiten Straflandesgericht 545 Haftplätze geschaffen. Wie berichtet, ist das zweite "Landl" umstritten, die Mehrheit der Richter und Staatsanwälte aus dem bestehenden Landesgericht hat sich dagegen ausgesprochen. Nun hofft man, dass zumindest der Jugendstrafbereich nicht auch noch zweigeteilt wird. Eine endgültige Entscheidung soll erst in der kommenden Legislaturperiode fallen.
Löcher in der Wand
Im Buch von Eva Schlegel und Eva Würdinger wird auch das Leben hinter Gittern rekonstruiert. Immer wieder gelang es Insassen, die Zellenmauern zu den Nachbarn zu durchlöchern, so lange am Putz zu kratzen, bis die Ziegel locker wurden und herausgezogen werden konnten. Auch die Kommunikationskanäle über die Toilettenanlagen funktionierten in der "Rüdenburg": Siphon entleeren, durch das Rohr mit den im oberen oder unteren Geschoss Sitzenden reden. "Nach längerem Durchstreifen wurde mit klar, dass dieses Haus wie eine Maschine, eine eigene Welt funktionierte", meint Eva Schlegel. Die Heizungskeller, die Küche, die Werkstätten, alles wurde mithilfe der Häftlinge betrieben.