Wien - SPÖ und ÖVP haben sich in den Koalitionsverhandlungen am Mittwoch grundsätzlich auf eine Staats- und Verwaltungsreform geeinigt. So wurde vereinbart, dass bis Mitte nächsten Jahres eine große Verfassungsnovelle ausgearbeitet werden soll. Die Causa Ortstafeln wollen SPÖ und ÖVP mit einer Verfassungsbestimmung regeln. Die Verwaltungsreform soll u.a. die Straffung der Schul-Verwaltung und den One-Stop-Shop für Arbeitslosengeld und Sozialhilfe bringen. Auf die Schlussrunde verschoben wurde das Wahlrechts-Paket, teilten SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) mit.

"Zu 95 Prozent sehr harmonisch"

Die zunächst rund dreieinhalbstündigen Verhandlungen seien "zu 95 Prozent sehr harmonisch" verlaufen, berichtete Schüssel. SPÖ und ÖVP hätten sich auf 17-seitige Papiere der Unterverhandler LH Josef Pröll (V), LH Michael Häupl (S), Andreas Khol (V) und Barbara Prammer (S), die auf den Ergebnissen des Österreich-Konvents aufbauten, mit "sehr präzisen Zielsetzungen" geeinigt.

Aus dem Kreis der Konvents-Verhandler soll eine Arbeitsgruppe gebildet werden, die bis Mitte 2007 einen Verfassungsentwurf erarbeitet. Eine ganz neue Verfassung soll es nicht geben, aber eine oder mehrere große Verfassungsnovellen zu verschiedenen Bereichen. So soll laut Schüssel die Verfassung bereinigt, soziale Grundrechte verankert, Landesverwaltungsgerichte eingeführt, die Zusammenarbeit der Gebietskörperschaften - auch z.B. der Gemeinden untereinander - modernisiert und die Bürgermitbestimmung verbessert werden. In der Kompetenzverteilung soll es zu einer klareren Abgrenzung zwischen Bund und Ländern kommen, berichtete Pröll vor Journalisten.

Ortstafeln

In Sachen Kärntner Ortstafeln haben sich SPÖ und ÖVP darauf verständigt, mit einer Verfassungsbestimmung die Umsetzung der Verfassungsgerichtshofs-Erkenntnisse und damit die Einhaltung des Staatsvertrages sicherzustellen. Innerhalb des nächsten Jahres soll eine "Lösungsklausel" gefunden werden, die den Slowenenorganisationen entgegen kommt, aber auch Garantien für die Mehrheitsbevölkerung bringt. Der heikle Bereich Wahlrecht - wo die SPÖ das Wahlalter 16 Jahre, die ÖVP die Briefwahl will - wurde auf die Schlussrunde verschoben.

Schule

Im Schulbereich sollen Parallelstrukturen in Bund und Ländern durch "einheitliche Schulverantwortliche" bereinigt werden - nämlich eine Landesschuldirektion pro Land. Damit könnten Bezirks- und Landesschulräte und auch Ressourcen in den Ämtern der Landesregierungen eingespart werden, erläuterte Pröll vor Journalisten.

Bei den One-Stop-Shops für Arbeitslosengeld und Sozialhilfe bzw. Notstandshilfe denkt man an neue "Bürgerzentren", die in Zusammenarbeit von Land, Gemeinde, Arbeitsmarktservice und Sozialinstitutionen etabliert werden sollen, erklärte Schüssel.

Schwierige Finanzierungsfragen gab es in der heutigen Verhandlungsrunde nicht zu lösen - denn das Ziel der Verwaltungsreform sei ja, Kosten zu sparen, wie Gusenbauer betonte. Auf Prognosen dazu ließ man sich nicht ein. Die Effekte würden erst mittelfristig sichtbar, meinte Gusenbauer. Schüssel verwies darauf, dass mit dem vereinbarten Standardkostenmodell für die Wirtschaft zwei Mrd. weniger Kosten für Bürokratie drinnen seien. Pröll sprach von "einer Milliarden-Höhe in Euro in einem längeren Zeitraum".

"Mehr als ein Achselzucken wert"

Insgesamt zeigten sich Gusenbauer und Schüssel recht zufrieden: Man habe überwiegend das heute zur Verhandlung Stehende gelöst, waren sie sich einig. Und die Einigung auf die seit langem immer wieder diskutierte Staats- und Verwaltungsreform sei ein großer Schritt - und das Einvernehmen in der Ortstafel-Frage wohl "mehr als ein Achselzucken wert", wie Schüssel meinte. Gusenbauer sieht in der Staats- und Verwaltungsreform ein "Herzstück" der künftigen Regierung. Sie sei eines der großen Projekte, dass nur eine große Koalition zu Stande bringen könne, weil dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig ist. (APA)