Wien - Einen kleinen verbalen Schlagabtausch der Noch-Nicht-Koalitionspartner ÖVP und SPÖ zur Wirtschaftspolitik hat der Auftakt zur Nationalratssitzung am Donnerstag gebracht. Während die ÖVP in einer von ihr beantragten Aktuellen Stunde das Wachstum von über drei Prozent als "kleines Wirtschaftswunder" und als Bestätigung ihrer Politik bezeichnete, forderte die SPÖ einmal mehr einen "Kurswechsel". Eine kurze Sitzungsunterbrechung gab es zu Beginn, weil Studentenvertreter während der Rede von SP-Budgetsprecher Christoph Matznetter lautstark die Abschaffung der Studiengebühren einforderten.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (V) hatte die Konjunkturpolitik der Regierung zuvor in den höchsten Tönen gelobt ("Wir sorgen dafür, dass die Wirtschaft läuft. Wir sorgen dafür, dass der Arbeitsmarkt boomt") und einmal mehr eine "Trendwende am Arbeitsmarkt" ausgerufen. Für die Zukunft forderte er die Verdoppelung der Mitarbeiterbeteiligung durch steurliche Begünstigung und die Anhebung der Forschungsquote auf drei Prozent. ÖVP-Klubchef Wilhelm Molterer verlangte eine weitere Senkung der Abgabenquote und warnte vor "falschen Signalen" an Investoren. "Es ist das erklärte Ziel, dass wir bis zum Jahr 2010 uns gemeinsam anstrengen, dass in Österreich Vollbeschäftigung gegeben ist", so Molterer in Richtung SPÖ.

Matznetter weist auf Staatsschulden hin

Deren Budgetsprecher Matznetter konnte das Eigenlob der ÖVP nicht nachvollziehen und verlangte einmal mehr einen "Kurswechsel". Die abgewählte Regierung habe ein "schweres Erbe" hinterlassen: Die Staatsschulden seien auf 160 Mrd. Euro gestiegen, weitere 20 Mrd. Euro seien außerbudgetär (ÖBB, Asfinag, BIG) "versteckt" worden. Außerdem hätte man angesichts des hohen Wachstums "längst finanzielle Reserven im Haushalt" anlegen müssen. "Wir sind in der Situation, dass wir dringende Maßnahmen für die Zukunft setzen müssen und dass die Kassen leer sind", kritisierte Matznetter. Und an die ÖVP: "Machen Sie gemeinsam mit uns den Kurswechsel."

Von VP-Wirtschaftssprecher Reinhold Mitterlehner setzte es umgehend Kritik am roten Gegenüber: "Ich glaube, Kollege Matznetter, Sie sind irgendwo im falschen Film." Schließlich habe die Regierung die Schulden nicht selbst gemacht, "die haben wir übernommen". Auch BZÖ-Chef Peter Westenthaler verteidigte die Bilanz der zuletzt schwarz-orangen Regierung und verwies auf hohes Wachstum und sinkende Arbeitslosigkeit: "Wenn das ein schweres Erbe ist, und einem Erbe geht ja immer ein Trauerfall vorher, dann wird in Zukunft jedes Erbe zum Volksfest."

Kritik der Grünen

Kritik an der abtretenden Koalition kam auch von Grünen und FPÖ. Grünen-Bundesgeschäftsführerin Michaela Sburny konstatierte zwar "unbestreitbare Erfolge" bei Wachstums- und Innovationspolitik, fragte sich aber auch, warum der Rückgang der Arbeitslosenzahlen nicht schon früher gelungen ist, sondern erst "jetzt, wo die schwarz-blaue Regierung abgewählt wurde".

Überhaupt nicht von einer Trendwende sprechen wollte FP-Chef Heinz-Christian Strache, der darauf verwies, dass es inklusive Schulungsteilnehmer immer noch eine "horrende Zahl" von Arbeitslosen gebe (im November waren es 293.560, aber um fast 19.000 weniger als im November 2005). "Sie sollten ein bisschen mehr sich mit den Fakten beschäftigen und nicht Science Fiction von sich geben", kritisierte Strache in Richtung ÖVP. (APA)