In der Siemens -Korruptionsaffäre sollen jetzt weitere Mitglieder des Konzernvorstands in Verdacht geraten sein. Neben dem inhaftierten Vorstandsmitglied Thomas Ganswindt hätten auch andere Spitzenmanager von Schmiergeldzahlungen und schwarzen Kassen gewusst, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf Aussagen anderer Beschuldigter. Die Staatsanwaltschaft lehnte am Donnerstag jede Stellungnahme ab. Siemens wies die Vorwürfe als unhaltbar zurück.

Topmanager als Mitwisser

Mehrere Beschuldigte sollen der "SZ" zufolge mehrere Topmanager als Mitwisser bezichtigt haben. Ein früherer Finanzvorstand der Telekommunikationssparte habe ausgesagt, ein Siemens-Partner in Saudi-Arabien habe nach der Kündigung seines Vertrages gedroht, Unterlagen über illegale Provisionszahlungen an die US-Börsenaufsicht SEC weiterzugeben. Die Konzernspitze sei über diese Drohung informiert gewesen und habe sich in die Verhandlungen über einen Vergleich eingeschaltet. Der Saudi-Araber habe schließlich 38 Mio. Euro bekommen.

Alle Anschuldigungen sind gegenstandslos

Dagegen sagte Siemens-Sprecher Peik von Bestenbostel: "Alle hier geäußerten Anschuldigungen sind gegenstandslos." Der Saudi-Araber habe wegen Kündigung der Zusammenarbeit drei Jahre vor Vertragsende 910 Mio. Dollar Schadenersatz gefordert und nach einem Streit vor Gericht 38 Mio. Euro bekommen.

Rücktritt

Nach Aktionärsschützern sollen auch zwei Siemens-Aufsichtsräte im Gespräch mit der "SZ" den Rücktritt von Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer gefordert haben. Das Eingeständnis fragwürdiger Zahlungen über 420 Mio. Euro zeige das Versagen der Kontrollen, deshalb müsse Pierer die Konsequenzen ziehen, zitierte das Blatt einen der nicht genannten Aufsichtsräte. Pierer hatte am Dienstag einen Rücktritt abgelehnt.

Siemens einzigartig, aber kein Einzelfall

Die Korruptionsaffäre bei Siemens ist nach Einschätzung des stellvertretenden Transparency-Deutschland-Vorsitzenden Peter von Blomberg vom Ausmaß her einzigartig, aber kein Einzelfall. "Es ist nicht auszuschließen, dass andere deutsche Firmen bis in die jüngste Vergangenheit hinein im Ausland Schmiergelder gezahlt haben oder noch heute zahlen", sagte Blomberg der "Passauer Neuen Presse". Das Verbot der Auslandsbestechung, das Deutschland und 35 andere Länder 1999 einführten, sei noch nicht ausreichend durchgedrungen.

Die deutsche Justiz solle eine Zentralstelle für Auslandsbestechung schaffen, die Meldungen aus dem Ausland entgegennimmt, schlug Blomberg vor. Ausländische Ermittler suchten bisher oft vergebens den richtigen Ansprechpartner. Die Zentralstelle könnte die Fälle dann an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeben.

"Zu Recht am Pranger"

Der Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, sieht Siemens wegen Korruption "zu Recht am Pranger". Ohne Bestechung wäre Siemens international an manche Großprojekte nicht herangekommen.

Der Siemens-Chef in Griechenland wurde im Zusammenhang mit einem Großauftrag für die Olympischen Spiele in Athen 2004 von der dortigen Staatsanwaltschaft als Zeuge vernommen. Das verlautete aus Athener Justizkreisen. Die Staatsanwaltschaft untersuche die Vergabe eines Auftrags für ein Kommunikationssystem, das während der Olympischen Spiele alle griechischen Sicherheitskräfte miteinander verbinden sollte und 255 Mio. Euro kostete.(APA/AP)