Zwei Sekunden trennten den Libanon von einem neuen Konflikt. Wie Frankreichs Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie im vergangenen Monat berichtete, stand die französische Artillerie zwei Sekunden vor dem Entscheid, israelische Kampfflugzeuge abzuschießen. "Unsere Soldaten haben ganz knapp eine Katastrophe vermieden", meinte die Ministerin in der Pariser Nationalversammlung.

Der Zwischenfall von Mitte November ist nicht der einzige seit dem 33-tägigen Krieg zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah-Miliz, der über tausend Tote forderte und zur massiven Verstärkung der UN-Truppe (Unifil) vor allem durch Franzosen, Deutsche und Italiener führte. In den letzten Tagen nimmt eher die Spannung zwischen der Hisbollah und dem Unifil-Kommando zu. Deren französischer Chef Alain Pellegrini, hegt den Verdacht, dass von Syrien her in großem Umfang neue Waffen in den Süden des Zedernstaates gelangen. Er beantragte deshalb vor wenigen Tage, die Unifil mit Drohnen, unbemannten Aufklärungsflugzeugen, auszustatten, um die an sich bekannten Schmuggelwege mit normalen und Infrarotkameras fotografieren zu können.

Die UN-Truppe hat keine eigenen Flugzeuge, ist aber sonst gefechtsmäßig ausgerüstet. Allein die Franzosen, die mit 1650 Blauhelmen das stärkste Kontingent stellen, verfügen über schwere Leclerc-Panzer, Boden-Boden- und Boden-Luft-Raketen. Damit haben sie die Lehren aus dem Balkan oder dem Kongo gezogen. Und aus dem Attentat von Hisbollah-Kreisen 1983 in Beirut, als 58 französische Fallschirmjäger starben.

Bei dem jüngsten Besuch der sozialistischen Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal in Beirut meinte ihr Hisbollah-Gastgeber Ali Ammar, Frankreich habe als Mandatsmacht im Libanon "eine große Rolle" zu spielen - sofern es sich von der US-Außenpolitik wie im Irakkrieg abgrenze. Chirac hat aber Syrien 2005 den Rücken gekehrt, als sein persönlicher Freund, der libanesische Politiker Rafik Hariri, einem Attentat zum Opfer fiel. Die Positionen der USA und Frankreichs im Libanon gleichen einander heute.

Laut dem jüngst erschienenen Zwischenbericht von UN-Generalsekretär Kofi Annan haben die Blauhelme eher erfolgreich gehandelt und "stabilisierend" gewirkt. Pellegrini weiß aber, dass jeder Fehltritt sofort fatale Folgen haben kann. Und selbst wenn sie alles richtig machen: Die Unifil-Soldaten verfolgen täglich, was sich in Beirut, Damaskus, Jerusalem, Gaza oder Bagdad tut. "Wenn es wieder beginnt", meinte ein französischer Offizier kürzlich, "ist die Unifil binnen drei Tagen abgereist." (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 19.12.2006)