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Foto: EPA/GEORGI LICOVSKI
Paris - Nach Darstellung des früheren französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d'Estaing scheiterte dessen Wiederwahl im Jahr 1981 an einem Komplott des damaligen Neogaullisten-Chefs und jetzigen Präsidenten Jacques Chirac, das den Sieg des Sozialisten Francois Mitterrand zum Ziel gehabt haben soll. In einem Interview mit dem Pariser Nachrichtenmagazin "L'Express" anlässlich des Erscheinens des dritten Teils seiner Lebenserinnerungen ("Le pouvoir et la vie") enthüllt der 80-jährige Giscard, dass er im Dezember 1995 eine vertrauliche Unterredung mit Mitterrand kurz vor dessen Tod geführt habe: "Das war das einzige Vieraugengespräch zweier ehemaliger Präsidenten der Fünften Republik".

Von Mitterrand habe er auch den Namen der Gastgeberin erfahren, in deren Haus vor der Präsidentenwahl 1981 das geheime Treffen zwischen Mitterrand und Chirac stattgefunden habe, sagte Giscard. "Ich hätte mir nie vorstellen können, dass er (Chirac) den Sieg meines Gegenkandidaten wünschen konnte. Wir kannten ja beide die Gefühle, die General (Charles) de Gaulle (Präsident 1959-69, Anm.) und Georges Pompidou (1969-74) gegenüber Francois Mitterrand gehegt haben. Dass Chirac mich schwächen wollte, konnte ich verstehen, dass er aber Mitterrands Wahlsieg herbeisehnte, das war für mich völlig unvorstellbar".

"Warum soll ich Mitterrand Glauben schenken, der es mir erzählt hat, und nicht Chirac, der es bestreitet? Weil diese Mitteilung zum Lebensende beeindruckend authentisch war und Mitterrand mir auch geraten hat, die Person aufzusuchen, bei der das Abendessen stattfand. Hätte er das getan, wenn die Geschichte nicht wahr gewesen wäre?", so der Ex-Präsident.

Überläufer

Der rechtsliberale Politiker Giscard d'Estaing war nach dem Tod von Pompidou 1974 als erster Nicht-Gaullist in der (1958 gegründeten) Fünften Republik Präsident geworden, nachdem eine Gruppe gaullistischer Abweichler um den damaligen Innenminister Chirac zu ihm übergelaufen war und dem gaullistischen Kandidaten Jacques Chaban-Delmas die Gefolgschaft aufgekündigt hatte. Zum Dank machte er Chirac zu seinem Premierminister. Dieser gründete eine neue Partei, die neogaullistische RPR, überwarf sich aber mit Giscard und trat 1976 zurück, um Pariser Bürgermeister zu werden. Bei der Präsidentenwahl 1981 traten beide an, Chirac vermied es, für die Stichwahl eine eindeutige Wahlempfehlung abzugeben und Giscard unterlag Mitterrand, der 14 Jahre an der Spitze des Staates stehen sollte. (APA)