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Die Überalterung der Bevölkerung droht: Im Extremfall könnten in 100 Jahren 80 Prozent der Menschen über 65 Jahre alt sein.

Foto: APA/Khupal
Die Geburtenrate könnte in Österreich in den kommenden Jahrzehnten noch drastischer sinken als befürchtet. Laut einer von Wolfgang Lutz am Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und am Internationalen Institut für angewandte Systemforschung (IIASA) entwickelten Hypothese dürfte ein kinderarmes Umfeld bei jungen Menschen den eigenen Wunsch nach Kindern erheblich reduzieren. Die Studie wurde in Kooperation mit dem Forum Nachhaltiges Österreich am Dienstag in Wien präsentiert.

Problem mit Folgen

Nachdem die Geburtenraten in Österreich bereits seit Jahrzehnten sehr niedrig ist, könnte ein Teufelskreis in Gang kommen bzw. bereits in Gang gekommen sein. "Je später gegengesteuert wird, desto geringer wird der Nutzen", so Lutz. Im Extremfall könnten laut Berechnungen der DemographInnen im Jahr 2100 in Österreich 80 Prozent der Menschen über 65 Jahre alt sein, mit allen Folgeproblemen wie der Pensionsproblematik. Durch Zuwanderung könnte die Entwicklung dieses Szenarios merkbar, aber nicht prinzipiell abgefedert werden, dann wären 60 Prozent über 65 Jahre alt.

Unter zwei Kindern pro Frau

Österreich gilt europaweit als Spitzenreiter, was niedrige Geburtenraten angeht. Derzeit liegt die offizielle Rate bei 1,42 Kinder pro Frau, also weit unter den errechneten zwei Kindern pro Frau, die nötig wären, um die Bevölkerung stabil zu halten. Zum Vergleich: Der Wert lag beispielsweise 1935 noch bei 2,3 und ist dann bis in die 1970er Jahre mehr oder weniger kontinuierlich gesunken.

Dabei sind die ExpertInnen mit der einfachen Rechnung "Kinder pro Frau" nicht ganz glücklich. "Durch den Umstand, dass Frauen immer später Kinder bekommen, ergibt sich eine Verzerrung. Rechnet man diesen Fehler weg, kommt man auf eine bereinigte Rate von derzeit 1,63 Kindern pro Frau. Aber auch das liegt noch deutlich unter dem anzustrebenden Wert von zwei Kindern.

Laut Umfragen möchten derzeit die ÖsterreicherInnen zwischen 25 und 39 Jahren 1,69 Kinder. Vergleicht man das mit der bereinigten Geburtenrate, kommt man auf eine weitgehende Deckung. Lutz ist daher überzeugt, dass man direkt beim Kinderwunsch ansetzen muss, wenn man die Situation ändern möchte. Damit widerspricht er auch dem jüngst erschienenen Weißbuch der Europäischen Kommission. Darin gehe es hauptsächlich darum, die Diskrepanz zwischen Kinderwunsch und realer Kinderzahl zu verringern. Für Österreich sieht Lutz diese Diskrepanz nicht. Anders ausgedrückt: Wer hierzulande Kinder möchte, bekommt sie auch.

Kindergeld greift nicht

Ein Patentrezept für eine Verbesserung der Situation hat der Experte nicht parat. Eine breite Diskussion und weitere Forschungen seien jedenfalls nötig. Lutz warnte angesichts der neuen Erkenntnisse davor, auf eine Trendumkehr zu warten. Die Wirksamkeit von bisher gesetzten Maßnahmen, wie die Einführung des Kindergeldes 2002, schätzt der Forscher als merkbar, aber insgesamt eher gering ein. (APA)