Die Ermordung der russischen Journalistin Anna Politkowskaja ist eine "eine tragische Ausnahme". Dies erklärte der stellvertretende Generaldirektor der russischen Nachrichtenagentur ITAR-TASS, Michail Gussman, am Dienstag bei einer Podiumsdiskussion im Russischen Kulturinstitut in Wien. Der Präsident der Stiftung zur Verteidigung von Glasnost, Alexej Simonow, hatte vergangene Woche in Wien erklärt, seit 1993 seien 211 Journalisten in Russland Gewaltverbrechen zum Opfer fallen. Gussman betonte, diese Zahl sei ihm nicht bekannt. "Ich glaube auch nicht sehr daran, werde dem jedoch nachgehen."

Großer Verlust für den Journalismus

Politkowskajas Ermordung am 7. Oktober 2006 in Moskau sei "ein persönlicher Verlust" für ihn und "ein großer Verlust für den Journalismus" in Russland, sagte der Generaldirektor. Die russische Staatsanwalt zeige sich allerdings optimistisch, dass der Fall aufgeklärt werde. "Ich glaube, dass der Mörder gefunden und bestraft wird." Die Ermittlungen würden von Mörder bis zum Auftraggeber laufen. Es sei allerdings stets ein großes Problem, Beweise für die Auftraggeber zu finden. Er verwies in diesem Zusammenhang auch auf den Mord am amerikanischen Ex-Präsidenten John F. Kennedy.

Gussman zeigte Verständnis für die staatliche Kontrolle der staatlichen Fernsehkanäle. Es handle sich dabei um eine "Schutzmaßnahme" gegen Willkür und nichtsachliche Information von Seiten privater Besitzer, wie Boris Beresowski (vom Fernsehsender TW-6), der in den 90er Jahren andere "vernichtet" habe. "Ich persönlich vertraue mehr dem Staat als Privatbesitzern von Fernsehkanälen." Es bedürfe allerdings einer Balance von Kontrolle und Abwesenheit von Kontrolle.

"Breites Spektrum" an Meinungen

Die Situation des Journalisten sei in seinem Land nicht einfach, sagte Gussman. In Russland gebe es wie bekannt viel Kriminalität, und die Journalisten befänden sich an der Front. Er glaubt aber nicht, dass durch den Mord an Politkowskaja Journalisten feiger und ruhiger würden. In den privaten Printmedien herrsche Pressefreiheit und keine staatliche Kontrolle und es gebe ein breites Spektrum von Meinungen. Als Beispiele zitierte er die Tageszeitung "Gazeta", das Wirtschaftsblatt der "Kommersant", das russische "Newsweek" oder schließlich die "Neue Zeit", die leider nur sehr wenig gekauft werde und deshalb eine geringe Auflage habe. "Solch ein journalistisches Niveau wird in Russland leider nicht verlangt."

Medien würden meistens den Zustand der Gesellschaft widerspiegeln, der derzeit in Russland nicht sehr gut sei, sagte Gussman. Viele Journalisten seien nicht gut ausgebildet und die Werbung in diesen Medien sei oft in den Händen von örtlichen Oligarchen und Behörden. Russland befinde sich in einer Übergangsphase, so Gussman, die Situation werde sich allerdings mit der Zeit verbessern.

Staat bei Medien wieder am Ruder

Seit dem Amtsantritt von Präsident Wladimir Putin wurden etliche Medien von staatlich kontrollierten Holdings oder durch Tochterfirmen von Staatskonzernen übernommen. Die drei wichtigsten Fernsehsender - ORT, Rossija und NTW - sowie ein bedeutender Teil der Printmedien sind verstaatlicht oder werden durch staatliche Konzerne kontrolliert. (APA)