Zur Person
Ludwig Scharinger (64) ist seit 1985 Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich und Aufsichtsratsmitglied in Voestalpine, Salinen und FACC.

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Auch die Arbeitsplatzgarantie stellt Scharinger im Gespräch mit Alexandra Föderl-Schmid infrage.

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STANDARD: Hat Sie überrascht, dass die Bawag an den US-Fonds Cerberus gegangen ist?

Scharinger: Es gab nicht sehr viele Möglichkeiten. Wer hätte in Wien die Bawag kaufen sollen? Österreich ist overbanked. Daher war davon auszugehen: Wenn die einigermaßen etwas bekommen wollen für diese Bank, die in einem nicht sehr guten Zustand ist, dann wird das irgendein ausländischer Fonds sein. Das habe ich immer erwartet. Und zwar ein Fonds, der sich in Mitteleuropa mit Richtung Osteuropa einkaufen will. Für den hat es gepasst. Damit haben die entsprechendes Geld in die Hand genommen.

STANDARD: Sind die österreichischen Partner Feigenblätter?

Scharinger: Ja, man hat ein paar Feigenblätter gebraucht, die werden nicht maßgeblich dabei sein. Denn so viel Geld können die nicht in die Hand nehmen, wenn es einmal in die Milliarden geht. Was kolportiert wird, was die gezahlt haben, muss nicht mit dem übereinstimmen, was das Ganze kostet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bank, die in einer schwierigen Situation ist, in den nächsten Jahr sehr viel ausschütten wird können, um den Kaufpreis irgendwie zu bedienen. Ich kann mir aber vorstellen, dass man nach Jahren an die Börse geht. Dass man dann in der Folge das, was man hineingesteckt hat, bekommt.

STANDARD: Kommt Ihnen der Preis von 3,2 Milliarden hoch vor?

Scharinger: Ja.

STANDARD: Warum?

Scharinger: Weil die Rentabilität der Bank sehr niedrig ist und die Eigenmittel gebraucht wurden durch die Spekulationsgeschäfte. Daher gehe ich schon davon aus, dass die sehr viel bezahlt haben.

STANDARD: Was geschieht mit den Beteiligungen?

Scharinger: Ich gehe schon davon aus, dass das eine oder andere, das nicht unbedingt zum strategischen Portefeuille passt, verkauft wird.

STANDARD: Konkret: Stiefelkönig, Bösendorfer ...

Scharinger: Na ja, wenn man Bösendorfer verkauft, kriegt man nicht sehr viel. Zu den anderen Beteiligungen: Da kann ich mir schon vorstellen, dass man die verkauft.

STANDARD: Die Bawag soll zur Europazentrale der GM Bank ausgebaut werden. Was heißt das?

Scharinger: Das habe ich mich auch gefragt. Die GM Bank ist eine Spezialbank. Ich kann mir aber vorstellen, dass die Amerikaner meinen, die Österreicher sind in Osteuropa so erfolgreich und dass sie das jetzt auch schaffen. Aber so einfach ist das nicht.

STANDARD: Es wurde angeblich eine Arbeitsplatzgarantie abgegeben. Halten Sie das für realistisch?

Scharinger: Was ist eine Arbeitsplatzgarantie? Werden da die Arbeitsplätze garantiert oder werden nur die Mitarbeiter, die zurzeit dort beschäftigt sind, garantiert? Eine Bank hat eine jährliche Fluktuationsrate um die acht bis neun, vielleicht zehn Prozent. Wenn man die nicht mehr ersetzt, dann kann man die Bank ganz schön restrukturieren. Wenn man die Arbeitsplätze garantiert, ist das Ganze ein bisschen schwieriger. Man kann aber auch in die Töchter transferieren und dann die Töchter verkaufen. Ob das dann dieser Arbeitsplatzgarantie entspricht, ist natürlich eine Frage, wie man das formuliert hat.

STANDARD: Ist dem Finanzplatz Schaden zugefügt worden?

Scharinger: Natürlich. Schauen Sie, bei so einem Bankenskandal bleibt etwas übrig. Da wird die Aufsicht infrage gestellt. Wie ist das möglich, dass eine Bank im Schatten der Aufsicht so viel spekulieren kann? Wenn man mit so vielen Stiftungen arbeitet, ist das nicht so einfach, dass man das alles überschauen kann. Da müsste schon der Eigentümer mit den Organen massiv hineinsteigen. Wenn irgendwelche Dinge aufkommen, müsste der Aufsichtsrat eine Sonderprüfung beantragen. Wenn er das nicht tut, schaut er nicht gut aus.

STANDARD: Hat der Aufsichtsrat zu wenig hingeschaut?

Scharinger: Ich habe aus dem Finanzministerium gehört: Immer wenn man etwas infrage gestellt hat, hat man das als Angriff auf die Gewerkschaft, die Sozialpartner gewertet. Die Bawag ist im Schatten der Sozialpartner gelaufen. Wer näher hingeschaut hat, da hat es geheißen, so etwas macht man nicht.

STANDARD: Ist das nicht typisch Österreich: Jeder kennt jeden, und man tut sich nicht weh?

Scharinger: Dann hat man ein falsches Verständnis. Man muss alles auf den Tisch bekommen. Wer das als unfreundlichen Akt wertet, ist selber schuld. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.12.2006)