„Wir werden die Entscheidung der Wähler akzeptieren“, sagte der iranische Staatspräsident Mahmud Ahmadi-Nejad, als die Journalisten seine Meinung zum Ergebnis der Kommunalwahlen hören wollten. Diese haben seinen Anhängern eine schwere Niederlage beschert. In Teheran hat die von Ahmadi-Nejad aufgestellte Liste weniger Stimmen bekommen als alle anderen Listen. Ahmadi-Nejads Schwester schaffte erst in letzter Minute den Einzug in den Teheraner Gemeinderat, was die Reformer veranlasste, die Auszählung durch das Innenministerium anzuzweifeln.

Die bei der Auszählung anwesenden Journalisten berichteten bis zuletzt, dass Reformer und gemäßigte Konservative fast alle Sitze im Teheraner Stadtrat errangen. In einer Sitzung in der Nacht auf Montag mit den früheren Präsidenten Hashemi Rafsandjani und Mohammed Khatami äußerte der ehemalige Parlamentspräsident Mehdi Karubi, der gleichzeitig Generalsekretär der Partei Etemad Melli ist, Bedenken über die Stimmenauszählung und bat die beiden um Intervention.

Laut offiziellem Ergebnis hat die vom jetzigen Oberbürgermeister Mohammed Bagehr Ghalibaf aufgestellte Liste die meisten Sitze im Teheraner Stadtparlament bekommen. Die Reformer konnten drei ehemalige Minister und einen Vizepräsidenten in den Gemeinderat schicken. Drei den Reformern nahe stehende Spitzensportler ziehen ebenfalls in den Gemeinderat ein. In 27 Provinzen haben ebenfalls gemäßigte Konservative und Reformer die meisten Stimmen erhalten. In fast allen iranischen Großstädten verpassten die Ahmadi-Nejad nahe stehenden Kandidaten die Mehrheit.

Bei der Wahl der Expertenversammlung heißt der große Sieger Rafsandjani. Kein anderer Geistlicher hat sich in jüngster Zeit politisch so stark engagiert. Seine offene Kritik an der Regierung Ahmadi-Nejad und deren Atom- und Wirtschaftskurs bescherten ihm eine Rufmordkampagne.

Mit mehr als 1,5 Millionen Stimmen in Teheran schaffte Rafsandjani an erster Stelle den Einzug in die Expertenversammlung. Er erhielt mehr Stimmen als alle Konkurrenten zusammen und sogar mehr als Ahmadi-Nejad in Teheran bei den Präsidentschaftswahlen errang. Der von Ahmadi-Nejad favorisierte Ayatollah Mesbah Yasdi wurde mit sehr großem Abstand Sechster. Vor allem Jugendliche und Frauen stimmten für Rafsandjani, wie die ersten Wahlanalysen zeigen.

„Die kurze Erscheinungszeit der Fanatiker im Iran ist zu Ende“, schreibt die Zeitung Kargosaran in einem Leitartikel, und das Blatt Etemad Melli spricht sogar vom großen Comeback der Reformer. Die konservative Zeitung Keyhan meint, dass die gemäßigten Konservativen ihre Stellung gefestigt hätten, und warnt Rafsandjani vor Annäherungsversuchen der Reformer. Alles deutet darauf hin, dass sogar die konservativen Medien inzwischen mehr Abstand zu Ahmadi-Nejad suchen. (Amir Loghmany aus Teheran/DER STANDARD, Printausgabe, 20.12.2006)