Juli 2006: Vindobona-Gesellschafter Wolfgang Gratzl auf der Baustelle am Wallensteinplatz. Seither hat sich nichts geändert. Foto: Corn

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Wolfgang Gratzl schließt am 22. Dezember das Vindobona und droht damit, dass ihm der Konkurs drohe. Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny bleibt gelassen. Denn der verschuldete Betreiber der Kabarettbühne ließ ausrichten, dass er an einem Sanierungskonzept arbeite.

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Wien – Mutterseelenallein, in Schwarz gewandet, sitzt Wolfgang Gratzl, der Alleingesellschafter und Geschäftsführer, auf der Bühne seines Vindobona. Zum Scherzen ist ihm nicht zumute. Und mit gebrochener Stimmer erzählt er von seiner persönlichen Situation: Die Kabarettisten, die bei ihm auftreten, erhielten zwei Drittel der Einnahmen, und das sind, bei 300 verkauften Karten pro Vorstellung, gut und gerne 3500 Euro.

Er selber hingegen trage die ganze Verantwortung – und habe sich lediglich 1.200 Euro genehmigt. Pro Monat, zwölfmal im Jahr. Seine Mutter helfe zudem gratis mit, und sein Vater mache kostenlos den Hausmeister, weil der Gastronomiebetrieb mit unterirdischer Kabarettbühne eben nicht mehr abwerfe. Gratzl kam daher eine Art Megaplex des Kabaretts in den Sinn, um die Wirtschaftlichkeit des Traditionsbetriebs zu steigern.

Und da der ursprüngliche Ballsaal ohnedies desolat war, plante er nicht bloß eine Sanierung: Die Küche sollte neben das Restaurant ins Erdgeschoß verlegt werden, was die Anmietung von benachbarten Räumen erforderte, und so hätte darunter eine zweite Bühne errichtet werden können.

Letzte Vorstellung am 22. Dezember

Doch die Bauarbeiten mussten aus Geldnot abgebrochen werden. Restaurant gibt es daher keines. Auch der kleinere Saal ist unbenutzbar. Und jetzt drohe ihm, so Gratzl, der „völlige Ruin“: Am 22. Dezember finde die letzte Vorstellung statt. Wenn sich die Stadt seiner nicht endlich erbarme, dann müsse er Konkurs anmelden, und dann stehe er mit seinen beiden Söhnen auf der Straße. Just zu Weihnachten.

Wer Schuld daran trägt, ist für Gratzl klar: der Stadtrat für Kultur. Denn Andreas Mailath-Pokorny weigere sich beharrlich, den Umbau auszufinanzieren. Gratzl bekam zwar in zwei Tranchen bereits 1,35 Millionen Euro, doch er brauche weitere 1,5 Millionen, wie er bei seiner Pressekonferenz am Dienstag erklärte.

Enteignungsgespenst

Mailath habe im Sommer in einem Brief, den er, Gratzl, sich im Kulturamt hätte abholen müssen, lediglich weitere 450.000 Euro in Aussicht gestellt – aber nur, wenn die Mietrechte abgetreten würden. Auf diesen „Lösungsvorschlag“, der, so Gratzl, eine „Enteignung“ wäre, könne er nicht eingehen. Denn er habe eine Million Euro Schulden aufgenommen, für die er hafte.

Und diese Verpflichtung würde natürlich im Gegenzug niemand übernehmen: Auf den Schulden bleibe er sitzen. Und da er nicht sozialversichert sei, kein Arbeitslosengeld bekomme: lieber mit dem Schiff untergehen, als sich erpressen lassen. Umgekehrt sieht sich auch Mailath mit erpresserischen Methoden konfrontiert: Er habe ihm, so Gratzl, medial ausgerichtet, er lasse sich nicht mit Konkurs drohen. Und weil er sich nicht kriminalisieren lassen will, kontert der Vindobona-Betreiber spielerisch: „Ich drohe nicht mit Konkurs. Mir droht der Konkurs.“

Brief an den Kulturstadtrat

Was Gratzl aber nicht mitteilte: Er ließ seinen Rechtsanwalt unlängst einen Brief an den Kulturstadtrat schreiben. Und in diesem steht, von Mailath gegenüber dem Standard vorgetragen, dass Gratzl eine Auffanglösung nicht in Anspruch nehmen werde, denn er arbeite selber an einem Sanierungskonzept ... Der Kulturstadtrat sieht nun drei mögliche Szenarien – die alle zum gleichen Ergebnis führen, nämlich zur Erhaltung der Kleinkunstbühne. Variante eins: Es kommt zu einem Insolvenzverfahren. „Das ist bedauerlich. Aber dann gehen alle Rechte an den Masseverwalter. Und aus der Konkursmasse könnte die Stadt das Vindobona erwerben. Ihr ist das auch im Falle des Gartenbaukinos geglückt.“ Variante zwei: Gratzl macht weiter. „Das soll mir recht sein“, sagt Mailath. „Aber warum macht er dann den ganzen Zinnober?“ Variante drei: Man einigt sich auf eine „Auffanglösung“. Auch in diesem Fall gelte, so der Stadtrat, dass kein weiteres Geld ins Vindobona gepumpt werde. Zudem habe das Kulturamt nicht die Absicht, das Haus zu übernehmen, wie Gratzl befürchtet. Es gebe aber sehr wohl Interessenten beziehungsweise potenzielle Investoren aus der Kabarettszene. Er, sagt Andreas Mailath, sehe sich lediglich als Mediator. Eines müsse Gratzl dennoch klar sein: dass er die Rechte oder zumindest Teile davon abzugeben habe – an wen auch immer. Zur Verblüffung aller kann sich das auch der Vindobona-Betreiber vorstellen: „Ich habe kein Problem, die Geschäftsführung abzugeben – und als angestellter künstlerischer Leiter weiterzumachen.“ "Kein Problem, die Geschäftsführung abzugeben" Wer sich zwecks Übernahme bei ihm gemeldet hat, will Mailath nicht sagen. Das Interesse scheint jedenfalls nicht klein: Laut Gratzl müsse mit 22. Dezember geschlossen werden, weil keine Agentur mehr das Vindobona gebucht habe. Georg Hoanzl zum Beispiel sieht aber keinen Zusammenhang: An der Leitung einer Kabarettbühne in Wien sei er definitiv nicht interessiert. (Thomas Trenkler/DER STANDARD, Printausgabe, 20.12.2006)