Wien – Mutterseelenallein, in Schwarz gewandet, sitzt Wolfgang Gratzl, der Alleingesellschafter und Geschäftsführer, auf der Bühne seines Vindobona. Zum Scherzen ist ihm nicht zumute. Und mit gebrochener Stimmer erzählt er von seiner persönlichen Situation: Die Kabarettisten, die bei ihm auftreten, erhielten zwei Drittel der Einnahmen, und das sind, bei 300 verkauften Karten pro Vorstellung, gut und gerne 3500 Euro.
Er selber hingegen trage die ganze Verantwortung – und habe sich lediglich 1.200 Euro genehmigt. Pro Monat, zwölfmal im Jahr. Seine Mutter helfe zudem gratis mit, und sein Vater mache kostenlos den Hausmeister, weil der Gastronomiebetrieb mit unterirdischer Kabarettbühne eben nicht mehr abwerfe. Gratzl kam daher eine Art Megaplex des Kabaretts in den Sinn, um die Wirtschaftlichkeit des Traditionsbetriebs zu steigern.
Und da der ursprüngliche Ballsaal ohnedies desolat war, plante er nicht bloß eine Sanierung: Die Küche sollte neben das Restaurant ins Erdgeschoß verlegt werden, was die Anmietung von benachbarten Räumen erforderte, und so hätte darunter eine zweite Bühne errichtet werden können.
Letzte Vorstellung am 22. Dezember
Doch die Bauarbeiten mussten aus Geldnot abgebrochen werden. Restaurant gibt es daher keines. Auch der kleinere Saal ist unbenutzbar. Und jetzt drohe ihm, so Gratzl, der „völlige Ruin“: Am 22. Dezember finde die letzte Vorstellung statt. Wenn sich die Stadt seiner nicht endlich erbarme, dann müsse er Konkurs anmelden, und dann stehe er mit seinen beiden Söhnen auf der Straße. Just zu Weihnachten.
Wer Schuld daran trägt, ist für Gratzl klar: der Stadtrat für Kultur. Denn Andreas Mailath-Pokorny weigere sich beharrlich, den Umbau auszufinanzieren. Gratzl bekam zwar in zwei Tranchen bereits 1,35 Millionen Euro, doch er brauche weitere 1,5 Millionen, wie er bei seiner Pressekonferenz am Dienstag erklärte.
Enteignungsgespenst
Mailath habe im Sommer in einem Brief, den er, Gratzl, sich im Kulturamt hätte abholen müssen, lediglich weitere 450.000 Euro in Aussicht gestellt – aber nur, wenn die Mietrechte abgetreten würden. Auf diesen „Lösungsvorschlag“, der, so Gratzl, eine „Enteignung“ wäre, könne er nicht eingehen. Denn er habe eine Million Euro Schulden aufgenommen, für die er hafte.
Und diese Verpflichtung würde natürlich im Gegenzug niemand übernehmen: Auf den Schulden bleibe er sitzen. Und da er nicht sozialversichert sei, kein Arbeitslosengeld bekomme: lieber mit dem Schiff untergehen, als sich erpressen lassen. Umgekehrt sieht sich auch Mailath mit erpresserischen Methoden konfrontiert: Er habe ihm, so Gratzl, medial ausgerichtet, er lasse sich nicht mit Konkurs drohen. Und weil er sich nicht kriminalisieren lassen will, kontert der Vindobona-Betreiber spielerisch: „Ich drohe nicht mit Konkurs. Mir droht der Konkurs.“
Brief an den Kulturstadtrat