München - In einem der möglicherweise größten Steuerhinterziehungsverfahren Deutschlands hat die Münchner Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Chef einer Filmfonds-Gesellschaft erhoben. Die Anklagebehörde wirft dem 45-Jährigen Chef der VIP-Medienfonds vor, rund 635 Millionen Euro Anlegerkapital zu Unrecht als Verlust angesetzt zu haben. Tausenden Anlegern des Fonds könnten damit Nachzahlungen drohen, die auf insgesamt 300 Millionen Euro geschätzt werden. In dem Verfahren geht es unter anderem um hochkarätige Filmproduktionen wie "Das Parfum".

Untersuchungshaft

Wie der Münchner Oberstaatsanwalt Anton Winkler erklärte, wirft die Staatsanwaltschaft dem seit über einem Jahr in Untersuchungshaft sitzenden Fonds-Manager vor, nur einen Bruchteil des eingesammelten Anlegerkapitals für tatsächlich absetzbare Produktionskosten von Filmen verwendet zu haben. Rund 80 Prozent der Gelder seien stattdessen auf Festgeldkonten geflossen. Dieses verzinste Kapital diente seinen Angaben zufolge zwar möglicherweise bei Filmfinanzierungen als Sicherheiten, hätte aber laut Winkler nicht auf als abzugsfähige Ausgaben verbucht werden dürfen.

Steuerhinterziehung

So habe die Medienfonds-Gesellschaft zwischen 2002 und 2004 insgesamt 645 Mio. Verlust beim Finanzamt geltend gemacht. Die Steuerfahnder bezifferten die abzugsfähigen Verluste jedoch tatsächlich auf weniger als 9 Millionen Euro. So habe VIP-Fonds im Jahr 2003 rund 237 Millionen Euro Verlust geltend gemacht, die Finanzbehörden errechneten jedoch stattdessen einen Gewinn von 290.000 Euro.

Wie es heißt, wird dem Manager insgesamt Steuerhinterziehung in Höhe von 275 Millionen Euro vorgeworfen. Der Fondschef sitzt bereits seit Oktober 2005 in Untersuchungshaft. Seine Firma VIP-Medienfonds hatte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft stets bestritten und betont, alle Anlegergelder seien, wie in den Firmen-Prospekten garantiert, für die Herstellung von Filmen verwendet worden. Die Garantiefonds seien von namhaften Steuerrechtsexperten als steuer- und strafrechtlich unbedenklich eingestuft worden und ein gängiges Konzept. Den VIP-Fonds Eins und Zwei hätten zudem Betriebsprüfungen zuvor ein positives Ergebnis bescheinigt.

Rückforderungen

"Ich halte den Vorwurf der Steuerhinterziehung für schlicht nicht nachvollziehbar", sagte der Anwalt des Managers, Jörg Weigell der AP. Ihm sei trotz der langen Ermittlungsdauer bisher kein einziger Fall bekannt, bei dem ein Finanzamt einen Bescheid für einen Anleger der betreffenden Fonds geändert habe.

Dagegen sagte der Bremer Anwalt Jens-Peter Gieschen, der 280 VIP-Fondsanleger vertritt, die seinen Worten nach dubiosen Fonds könnten bundesweit 11.000 Investoren zum Verhängnis werden. Die VIP-Anleger müssten sich auf Rückforderungen von insgesamt mindestens 300 Millionen Euro einstellen, wenn ursprünglich erwartete Steuervorteile nachträglich aberkannt würden. "Das wird das größte Steuerverfahren in Deutschland", sagte Gieschen.

Das Unternehmen VIP-Medienfonds zählte bis zum Bekanntwerden der Vorwürfe zu den Marktführern bei Filmfonds und finanzierte unter anderem den Oskar prämierten Hollywood-Film "Monster" und die "7 Zwerge"-Komödien mit. In der Vergangenheit wurden zahlreiche Hollywoodfilme über deutsche Steuersparmodelle mitfinanziert. Ende 2005 schloss die Bundesregierung jedoch weitgehend die Steuerschlupflöcher für derartige Abschreibungsmodelle. (APA/AP)