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Holocaust-Leugner David Irving ist wieder ein freier Mann

foto: reuters/HERBERT NEUBAUER
Milde Gabe im Wiener Oberlandesgericht: Zwei von drei Jahren Gefängnis wegen NS-Wiederbetätigung werden dem Briten David Irving nachgesehen. 13 Monate hat er bereits abgebüßt. Der Mann, der Adolf Hitler verteidigt, soll Österreich verlassen und befindet sich in Schubhaft.

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Wien – „And now I get a kiss“, sagt David Irving, nein, nicht zu Richter Ernest Maurer, dessen überraschend stark korrigiertes Urteil ihm soeben zwei Jahre Gefängnis erspart hat, sondern zu einer befreundeten Britin unter den Zuhörern. Den Vorsitzenden des Berufungssenats würdigt er mit den Worten: „Euer Ehren, danke schön!“ Zu in den Saal dringenden hymnischen Klängen eines richterlichen Violinekonzerts – in der Aula des Justizpalasts findet gerade eine Angelobung statt – werden dem 68-jährigen Holocaust-Leugner die Handschellen abgenommen. Man könnte meinen, der feierliche Akt diene der symbolischen Verabschiedung des 1992 novellierten NS-Verbotsgesetzes und der Versöhnung mit einem zwar nicht geläuterten, aber ein bisschen müde gewordenen, weltweit berühmten und berüchtigten Prediger rechtsextremen Gedankenguts.

Holocaust- Leugner

In erster Instanz ist der Historiker und Schriftsteller Irving vor Geschworenen wegen Wiederbetätigung zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte bei Vorträgen in Wien und Leoben 1989 die Existenz von Gaskammern in Auschwitz und die Judenverfolgung unter Adolf Hitler in Abrede gestellt. Hitler habe „seine Hand ausgestreckt, um die Juden zu schützen“, behauptete er. Wer ihm beweisen könne, dass der Führer von Verbrechen in Auschwitz gewusst hatte, dem böte er 1000 englische Pfund.

Drei Jahre Gefängnis – das war der Anklagebehörde zu wenig. Irving sei „ein Idol der rechtsradikalen Szene“, meint Oberstaatsanwältin Marie-Luise Nittel. Davon zeugten Berge von Fanpost, die während der 13-wöchigen Untersuchungshaft an ihn adressiert waren. „Seine Worte sind in keinster Weise zu unterschätzen. Sie sind eine echte Verhöhnung der Opfer des NS-Regimes“, sagt Nittel.

Außerdem könne von einem Milderungsgrund eines reumütigen Tatsachengeständnisses nicht die Rede sein. Nur wenige Tage nach seiner erstgerichtlichen Verurteilung hat sich Irving in Interviews wieder überzeugt davon gezeigt, dass es „keinen Beweis für eine organisierte Massenvernichtung“ gebe und dass Hitler „nicht zielbewusst gegen die Juden vorgegangen“ sei.

Verfahren eingestellt Diese Aussagen entschuldigt Richter Maurer in seinem Urteilsspruch zweiter Instanz nun als „Reaktion unter dem Eindruck eines Schocks nach der Verurteilung“. Es sei also nur eine Art „Urteilsschelte“ Irvings gewesen. Als Konsequenz auf diese klaren Worte stellt die Staatsanwaltschaft das laufende Verfahren gegen Irving ein. „Der Tatverdacht reicht in diesem Fall für eine neuerliche U-Haft nicht aus“, teilt der Sprecher der Anklagebehörde mit.

Erfolg im Gerichtssaal hat hingegen der in rechtsradikalen Kreisen gern gesehene Anwalt Herbert Schaller. In seiner flammenden, phasenweise in NS-Manier gebrüllten Rede prangert er die „Unsitte der Medien“ an, Leuten wie Irving immer wieder die „ungehörige Frage nach der Existenz von Gaskammern“ zu stellen, um ihn in die Falle zu locken. „Das ist seine Meinung, das geht die Medien nichts an“, meint Schaller. „Im kleinen Kreis darf man dazu nämlich sagen, was man will.“ Wie überhaupt das Verbotsgesetz seinen Zweck nach 1945 längst erfüllt hätte und völlig unzeitgemäß sei. „Als hätten wir Österreicher NS-Gene, vor denen wir geschützt werden müssen.“_Irving hatte damals, 1989, keine Ahnung, dass er sich in Österreich, „und nur in Österreich“ nicht kritisch zu historischen Ungereimtheiten äußern dürfe. Für diesen „nicht vorwerfbaren Rechtsirrtum“ sei die in U-Haft verbüßte Strafe ausreichend.

Gut verhalten

Diesen Ansichten schließt sich der Dreirichtersenat an. Für den Vorsitzenden Ernest Maurer hat der „außerordentlich lang zurückliegende Tatzeitraum eine ganz dominante Bedeutung“. Irving habe sich in den vergangenen 17 Jahren „wohl verhalten“. Deshalb dürfen ihm zwei Drittel der dreijährigen Haftstrafe bedingt nachgesehen werden. (Daniel Glattauer, DER STANDARD, Printausgabe, 21.12.2006)