Wien - Ernest Maurer könnte „großmütig auf die Ehre verzichten“, „Kopf des Tages“ zu werden. Doch der Richter steht jenem Berufungssenat am Oberlandesgericht Wien vor, der am Mittwoch David Irving auf freien Fuß setzte. Maurer begründete das unter anderem mit dem „bisher untadeligen Wandel“ jenes Mannes, der so lange und beharrlich den Holocaust leugnete.
Maurer entscheidet nicht zum ersten Mal für rechte Recken. „Jedenfalls fällt auf, dass Klagen, die etwa Justizminister Dieter Böhmdorfer als FPÖ-Anwalt im Namen Jörg Haiders eingebracht hat und die in erster Instanz abgewiesen wurden, von Maurers Senat 24 serienmäßig zurück an den Start geschickt wurden. Verurteilungen wegen ,übler Nachrede‘ (gegen Kommentatoren, die an Haiders Parteiblau bräunliche Schimmer zu erkennen glauben) werden in letzter Instanz dagegen meist bestätigt.“ Das schrieb Daniel Glattauer, Gerichtsautor des Standard, 2000 über Maurer.
Umstrittener Richter
Erst diesen November widersprach der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einer Entscheidung Maurers gegen den Standard-Journalisten. Glattauer hatte die Rolle von FP-Mann Ewald Stadler kritisch hinterfragt. Zu Recht, befand Straßburg und wies gleich noch zwei Entscheidungen Maurers gegen den Standard zurück. Und weitere anderer Blätter.
„Wenn der europäische Gerichtshof andere Auffassungen vertritt, muss ich das zur Kenntnis nehmen“, sagte er dazu. Andere Juristen hingegen, etwa Hannes Tretter vom Boltzmann-Institut für Menschenrechte, empfehlen der österreichischen Justiz Nachschulungen in Sachen Meinungsfreiheit. Zur „Bewusstseinsbildung“ riet auch ein Sprecher der Justizministerin.
Maurer ist es leid, ständig in FP-Nähe gerückt zu werden, etwa vom Standard, der „fortgesetzt“ unwahr über ihn schreibe, was ihn „grantig“ macht. 2000 ließ er sich auf FP-Vorschlag von der Regierung in den Aufsichtsrat des ORF entsenden. „Vielleicht zu blauäugig“, meinte er später.
2001 widmete sich Sprachwissenschafterin Ruth Wodak Maurer schon in einem zweiten Buch. „Das Eintreten für Rassenreinheit, Erbgesundheitslehre und gegen die Integration von Ausländern ist per se betrachtet nicht ehrenrührig“, zitiert sie ein Urteil: „Die Idee vom rassenreinen und erbgesunden Volk an sich ist eine Idealvorstellung, die nicht erst vom Nationalsozialismus erfunden wurde.“
Verrät uns der stille Medienrichter trotz „Grants“ etwas zur Person? 62 Jahre alt, geschieden, kinderlos. Hobbys? „Keine parteipolitischen Dinge.“ Er restauriert Oldtimer. Welche? „Kein Kübelwagen“, kaum militärische (ein Jeep aus 1943). Größter Stolz? „Ein echt österreichisches Fahrzeug, ein Steyr 220 Cabriolet aus 1937.“
Der transportiert auch Gedankengut aus dieser Zeit. (Harald Fidler, DER STANDARD, Printausgabe, 21.12.2006)