paulthegirl.com

Foto: Cargo Records

PAUL THE GIRL
Little Miss Weird
(Inconvenient/Import)
Daheim in der Küche aufgenommen, beweist die einst Anfang der 90er-Jahre als nächste große Hoffnung eines Plattenmajors unter Vertrag gestandene, aber bald geschasste Londoner Musikerin Paul The Girl in den eher verschlurften als im Original wüst gestampften Fußstapfen von P. J. Harvey, wie reizvoll immer noch das aus der Not kommende Heimwerkertum sein kann. Skurrile, mit Mandoline und Samples behübschte und mit abgefeimt sanfter Stimme zum Vortrag gebrachte Folk-Songs wie We Ain't Gonna Lay oder heftiger Bluesrock im zusätzlich mit Küchenutensilien perkussiv unterstützten Bluesrock von Human Bun beweisen, dass im traditionellen Songwriter-Hausfrauentum tatsächliche Perlen wachsen können. Und wer einst auf dem sträflich unbeachteten Vorgängeralbum Electro-Magnetic Blues Textzeilen wie "His face was a cheese pizza, but she was already wondering what she'd do with his dick" in die Höhe bringt und als Liveunterstützung schon einmal große Kollegen wie Ed Harcourt zum Bass- und John Cale zum Schlagzeugspielen bringt, kann sich halbwegs sicher sein, dass es spätestens ab jetzt nur mehr in eine Richtung geht. Aufwärts.

A HAWK AND A HACKSAW
The Way The Wind Blows
(Leaf/Soul Seduction)
Die US-Undergroundmusiker/Innen Jeremy Barnes (Neutral MilkHotel) und Heather Trost widmen sich auf ihrem neuen Album verstärkt der Musik des europäischen Ostens. Mit Gästen wie dem neuen Popwunderkind Zach Condon von Beirut (Album des Jahres: Gulag Orkestar!) an der ordentlich im Bratlfett schmierenden Trompete und der Balkan-Brass-Band Fanfare Ciocarlia als Gästen gelingt eine ungleich sanfter und bedachter als die Originale selbst vorgehende, akademische wie kammermusikalische Neudeutung einer fremden Welt. Zu Herzen gehend ist das trotzdem.

...AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD
So Divided
(Interscope/Universal)
Eine texanische Band, die sich nach dem barock-opulenten Meisterwerk Worlds Apart aus dem Vorjahr jetzt verstärkt von den bei Vorbildern wie Sonic Youth abgeschauten Lärm-Schlieren hin Richtung eingängigen Emo-Core und songlastiger Verträglichkeit bewegt. Nach ihrem Livedebakel beim Donaufestival im Mai war mit einer derart konzentrierten Arbeit eigentlich nicht zu rechnen. Der Einsatz von Klavier, Keyboards und jeder Menge Hall bei den teilweise hymnischen und auf die Beatles in deren psychedelischer Phase verweisenden Melodien macht allerdings den Eindruck wett, dass diese Band möglicherweise ihren Zenit langsam überschritten haben könnte.

BRIGHTBLACK MORNING LIGHT
(Matador/Edel)
Das Duo aus Alabama wird gewöhnlich dem Freak-Folk-Umfeld von Devendra Banhart oder Joanna Newsom zugerechnet. Geboten wird allerdings gut abgehangener, atmosphärischer Südstaatenboogie in Zeitlupe, der sich mit elektrischem Piano und jeder Menge Halleffekte auf die Suche nach einer allerletzten lustigen Zigarette begibt.

SONIC YOUTH
The Destroyed Room
(Geffen/Universal)
Die rüstigen New Yorker Noise- und Avantgarde-Rock-Rentner veröffentlichen hier eher dem beiläufigen Gedanken der spontanen Jam-Session verpflichtete Studio-Outtakes, bei denen hörbar mehr gefrickelt und ambientiert als geholzt wurde. Immerhin verdanken wir aber Thurston Moore und Kollegen den ab sofort den "Bobo" ersetzenden Begriff des Fauxhemians. Natürlich nicht so zwingend wie ihr hervorragendes aktuelles (Song-)Album Rather Ripped. Aber einmal Sonic Youth, immer Sonic Youth. Seit 25 Jahren!

BLOOD BROTHERS Young Machetes (Wichita/Edel) Sich an die reine Hysterie und die gesellschaftliche Flüchtigkeit von A- mokläufen annähernder US-Beschwerderock in seiner reinsten (weißen) mittelständischen Ausformung. Set Fire To The Face On Fire. Für alles im Leben gibt es immer ein Noch-Mehr. Kreisch, quengel, bratz, kartätsch. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.12.2006)