Nach fast drei Monaten des Beleidigtseins, Taktierens und schließlich auch des Verhandelns demonstrieren sie vorweihnachtliche Einigkeit im Willen zu einer großen Koalition und geben sich offiziell zuversichtlich, dass sich dieser Wille letztlich auch vollstrecken ließe. Der eindeutige Auftrag des Bundespräsidenten und die Scheu vor allzu frühen Neuwahlen lassen gar nichts anderes zu. Im Reich der politischen Fantasie hinter der vorgehaltenen Hand wollen sich die Zweifel am Gelingen des Projekts indessen nicht verflüchtigen, während sich die Gerüchte über Bemühungen um eine Revitalisierung des rechten Wendeabenteuers verdichten. So leicht verzeiht ein Wolfgang Schüssel den Wählerinnen und Wählern seine Abwahl nicht!

Der entscheidende Unterschied zwischen früheren Verhandlungen über eine große Koalition und den nun sich hinschleppenden besteht darin, dass früher der Wille zu dieser Regierungsform bei den Partnern von vornherein feststand, auch wenn es dazu gelegentlich der innerparteilichen Unterdrückung anders gearteter Wünsche bedurfte. Auf dieser sicheren Grundlage einigte man sich dann auf ein Regierungsprogramm. Wie sehr dieser Wille diesmal vom Wahlabend an fehlte, kann nichts deutlicher illustrieren als Schüssels Wort, allein dass man mit der SPÖ rede, sei schon das Entgegenkommen.

Es ist dies die einzige Verhandlungsposition, in der sich der ÖVP-Obmann nach sechs Jahren faktischer Alleinregierung selbst sehen kann, und er wäre von ihr nicht abgegangen, hätte er bisher dazu eine bescheidene Alternative gehabt. Daher durfte auch nicht das Bekenntnis zum aufgezwungenen Ziel die Basis der zäh dahinfließenden Verhandlungen sein, sondern ausschließlich das Verlangen, an den grandiosen Errungenschaften der letzten sechs Jahre dürfe nicht gerüttelt werden, und schon der Wunsch, einiges davon zum Gegenstand parlamentarischer Untersuchungen zu machen wäre eine Art Majestätsverbrechen.

Wenn auf dieser psychologischen Grundlage der Wille zu einer Koalition dann erst an der Abarbeitung konkreter Programmpunkte wachsen soll, ist Ungewissheit bis zum letzten vorgegebenen Tag gewiss. Das mag das Bedürfnis vieler Wähler nach weihnachtlicher Heilsgewissheit trüben, hat aber immerhin dazu geführt, dass Schüssel sich als Bundeskanzler, wenn auch nur noch einer provisorischen Minderheitsregierung, bis in das Jahr 2007 schleppen konnte, und sich sowohl die Anhänger einer großen Koalition wie die einer Minderheitsregierung unter einem Bundeskanzler Gusenbauer über Weihnachten hinaus noch etwas wünschen dürfen.

Wenn es nach der ÖVP geht, dann weit über den 8. Jänner hinaus. Für sie spielt Zeit keine Rolle, und jeder Tag später, den sie ihre Alleinregierung abgeben muss, ist ein Gewinn, ganz egal, wie weit die Missachtung eines Wählerwillens, der bezüglich schwarzer Regierungskunst an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ, hinausgezogen wird. Lässt sich aus den Sachthemen keine Verzögerung mehr herausschinden, weil sich die SPÖ am Ende für Studiengebühren und Eurofighter begeistert, bleibt noch immer das Argument, Qualität möge vor Geschwindigkeit gehen, was in Schüssels Augen natürlich nichts anderes bedeuten kann als eine Prolongierung seiner Administration bis zum Sankt Nimmerleins-Tag.

Und dann bleiben noch immer die Personalfragen. Etwa: Ist eine Regierung ohne einen Finanzminister Grasser überhaupt vorstellbar? Die Wähler sagten deutlich Ja. Aber was hat das schon zu bedeuten? (Günter Traxler/DER STANDARD, Printausgabe, 22.12.2006)