Wer über den Zentralplatz in Richtung Osten, zum ehemaligen
Herzstück von Nowa Huta, dem Namen gebenden Sendzimir-Stahlwerk,
spaziert, sollte sich dennoch voreilige "ostalgische" Erwartungen erst
einmal sparen. Der städtebauliche Plan, der sich der Renaissance-Sitte
bediente, in einem großzügigen Halbkreis auf dem Stadtplan in
Erscheinung zu treten, blieb nämlich in alle Richtungen offen. In Nowa Huta
bedeutet dies, dass sich gleich hinter dem "Dogenpalast", wie die
Krakauer "ihr" Werk tauften, einige der ältesten Strukturen
Krakaus erhalten konnten. Vor allem um den Wanda-Hügel, der bereits aus
vorchristlicher Zeit stammt und vor der architektonischen Strenge des Stahlwerks
zumindest sommers einen grünen Buckel aufschiebt.
Sakral durchwachsen
Auch mit den Kirchen ist das so eine Sache im "Arbeiterparadies". Unangetastet findet sich hier das Zisterzienserkloster von Mogila aus dem dreizehnten Jahrhundert und ein paar Schritte weiter das rurale Erbe, das man so gerne mit Nowa Huta zubetoniert hätte. Etwas verloren steht sie dennoch da, die Holzkirche St. Bartholomäus aus dem 15. Jahrhundert, die man eher in den Karpaten vermuten würde als im Kombinat.
Wenigstens über die "Allee der Freundschaft" muss man zurück in Richtung Zentralplatz gehen, wenn man den größten Kompromiss in der Stadtplanung eines realsozialistischen Viertels kennen lernen will: die Arche des Herrn. Diese Kirche wurde nämlich bereits 1977 als erste überhaupt in ein Ensemble sowjetischer Monumentalarchitektur integriert, obwohl Sakralbauten ja eigentlich nicht vorgesehen waren in einem Themenpark der Arbeit.
Oder doch Erlebnispark? Während Krakaus Einwohner aus den anderen Vierteln der Stadt heute nur wegen der großen Einkaufszentren kommen, die dem ausrangierten Stahlwerk vor die Tore gesetzt wurden, boomt Nowa Huta vor allem bei den Touristen. Die wiederum wollen das volle Nostalgie-Programm fahren. Nicht nur US-Amerikaner lassen sich von den Chauffeuren der Krakauer "Crazy Tours" im Trabant durch Nowa Huta schaukeln, um sich für umgerechnet rund 30 ¬ bei der "Communism Tour deluxe" Geschichte(ln) im Fast-Food-Verfahren hinunterzuwürgen.
Wohnen im Funpark?
Die Stadt Krakau selbst tut sich mit der Funpark-Umwidmung Nova Hutas noch etwas schwer, denn die Nachfrage der Besucher wäre zwar vorhanden, aber die Krakauer selbst können diesen Ideen verständlicherweise wenig abgewinnen: Alte Lenin-Statuen wieder auszumotten und sie auf der Rosenallee aufzustellen, wurde kurz überlegt und gleich wieder verworfen. Schwierig zu realisieren wird auch das Vorhaben sein, in vier der bereits unter kommunalen Denkmalschutz gestellten Wohnblocks ein Freilichtmuseum mit alten Wolga- Limousinen als Taxis vor möglichst geschmacklos dekorierten Schaufenstern einzurichten. Wesentlich leichter fiel die Entscheidung, was mit den stillgelegten Teilen des Stahlwerk passieren soll, das ist ohnehin bereits auf dem besten Weg zu einem Industriemuseum.