Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA
München - CDU-Chefin Angela Merkel hat ihren Rucksack gepackt. Gleich zum Auftakt ihrer zehntägigen Sommertour durch Deutschland macht sie am Dienstagabend einen Abstecher zur eigenwilligen Schwesterpartei nach Bayern. In Fürstenfeldbruck, der schmucken Kreisstadt vor den Toren Münchens, präsentiert sich Merkel erstmals seit ihrer Wahl zur Parteichefin dem Fußvolk der CSU. Von der Stadtkapelle mit dem Defiliermarsch im weißblauen Festzelt begrüßt, packt sie den Stier gleich bei den Hörnern. Sie wisse, dass Altbundeskanzler Helmut Kohl vor zwei Jahren bei dem Traditionsfest hier begeistert gefeiert worden sei, sagt Merkel. "Aber wir können alle nur weiter begeistert über Helmut Kohl sprechen, wenn wir die Kraft haben, auch über die Fehler zu sprechen, die in seiner Zeit passiert sind." Rund 4 000 Menschen sind gekommen, um die neue Vorzeigefrau bei Bier und Schweinsbraten in Augenschein zu nehmen. Merkel pariert die Neugier aufgeräumt und locker. Den Abkömmling des Hauses Wittelsbach, Prinz Luitpold von Bayern, begrüßt sie mit den Worten: "Seine oder Ihre Königliche Hoheit - da kenn ich mich nicht so aus." Und ihrem neuen Tandem-Partner, dem CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber, dankt Merkel aus der Ferne nochmals augenzwinkernd für seine Geschenke zum Amtsantritt. Neben dem Rucksack habe sie ein paar rote Boxhandschuhe bekommen - "ich weiß bis heute nicht ganz genau, wie das gemeint war". Dennoch steigt sie im Bierdampf des Brucker Festzelts kräftig in den Ring. Atom-Ausstieg, Rente, Steuern, Gesundheitsreform und Schwulen-Ehe - kein Konfliktthema mit der rot-grünen Bundesregierung wird ausgelassen. Nach einer drei viertel Stunde hat die Frau im schmalen schwarzen Hosenanzug die Herzen der Zuhörer gewonnen. Fast verlegen lässt sie sich auf die wacklige Bierbank heben, um den begeisterten Applaus mit einem vorsichtigen Schluck aus dem Maßkrug zu besiegeln. "Wenn die 's nicht kann, wer sonst", jubelt Bibiana Ingelfinger-Weber von der örtlichen Frauen-Union. Landwirt Franz Mösl meint voll Respekt: "Die Frau ist besser als wia i g'moant hob." Auch die offizielle Parteiprominenz übt den Schulterschluss. "So wie Sie heute geredet haben, wissen Sie mit den Handschuhen gut umzugehen", lobt CSU-Generalsekretär Thomas Goppel seine frühere Kollegin. Hinter den Kulissen ist die CSU bemüht, die Schwierigkeiten herunterzuspielen, die Merkel wegen ihrer distanzierten Haltung zu Kohl derzeit innerhalb der Bundestagsfraktion entgegenschlagen. "Das sind nur Nuancen", versichert die örtliche Stimmkreisabgeordnete und frühere Bundesbauministerin Gerda Hasselfeldt, die die Einladung nach Fürstenfeldbruck organisiert hat. Dafür wird allseits das gute Stimmung im Duo Stoiber-Merkel gelobt. Die Bedenken, die die CSU selbst anfangs gegen die Nominierung der als zu "links" eingeschätzten Ostfrau hatte, scheinen vergessen. "Ihr Erfolg ist unser Erfolg", versichert Bayerns Europaminister Reinhold Bocklet (CSU). Und auch Merkel empfindet ihre Bayern-Visite am Schluss als Heimspiel. "Was denn sonst - ich hab' nicht erwartet, dass mir hier Argwohn entgegenschlägt." (dpa)