Experten schließen für Dezember österreichweit ein Minus nicht aus. Frühe und starke Preisnachlässe schwächen die Branche.

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Wien - Der Süßwaren-Händler Walter Heindl sitzt am Stephanitag allein im Büro, genießt die Ruhe und studiert die Statistiken seines Weihnachtsgeschäfts. "Es ist bei uns wie bei den Bauern, die ihre Ernte einfahren", sagt er. Die letzten 45 Tage vor Silvester bringen seiner Confiserie ein Viertel des Jahresgeschäfts, und er sei dieses Jahr zufrieden. Süße Lieferungen an Ketten wie Billa und Spar hätten für rund 20 Prozent mehr Umsatz gesorgt. Das Geschäft in den eigenen 31 Filialen sei über die Adventszeit stabil geblieben.

Katerstimmung

Heindl zählt sich zu den Gewinnern des Weihnachtsgeschäfts. In vielen anderen Branchen herrschte gestern Dienstag jedoch Katerstimmung. Österreichs Handel wird das angepeilte Umsatzwachstum von ein bis zwei Prozent voraussichtlich nicht schaffen. Eine Zwischenbilanz bis zum 19. Dezember wies ein Minus von einem Prozent aus. Der letzte Einkaufssamstag reichte nicht aus, um das Geschäft noch ins Plus zu drehen. "Der 23. hat nicht das gebracht, was wir erhofft haben", sagt Fritz Aichinger, Obmann des Wiener Handels. "Wenn es gut geht, erreichen wir das Vorjahresniveau." Aichinger ist zuversichtlich, dass bis Silvester noch einiger Schwung ins Geschäft kommt. Unterm Strich schließt er für Österreich dennoch ein Minus nicht aus.

Am Samstag vor Weihnachten wurde es ab 15 und 16 Uhr weitgehend ruhig in den Einkaufscentern und -straßen. In Grenzen hielten sich auch die Verkehrsstaus vor den großen Shoppingtempeln. Händler in Oberösterreich und Salzburg zeigten sich vorerst zufrieden. Die Steiermark hingegen meldete eine geringere Frequenz als an den voran gegangenen Wochenenden. Einzelne Grazer Shoppingcenter erlebten am letzten Samstag sogar den schwächsten im Dezember.

Viel Konkurrenz

Dass die Umsatzprognosen von teilweise bis zu drei Prozent Plus klar zu kühn gesteckt wurden, daran sei der Handel nicht unschuldig, sagt Aichinger. "Um Stimmung zu erzeugen wird halt einiges hochstilisiert." Er ist überzeugt, dass sich das Weihnachtsgeschäft nicht weiter ausbauen lässt. Denn die Kaufkraft verlagert sich zunehmend in andere Bereiche wie Reisen. Der Internet-Handel schneidet sich ein immer größeres Stück ab. Auch die wachsende Zahl an Adventmärkten - allein in Wien waren es diesmal 34 - nimmt Umsätze weg. Aichinger: "Wenn einer drei Punsch trinkt, wirkt sich das auf die Kaufkraft aus."

Die Folge sind immer frühere Rabattschlachten. Lebensmittelketten locken mit Nachlässen von 25 Prozent. Schuh- Mode- und Elektroläden überbieten sich mit Preiszuckerln. Selbst kleine Geschäfte ziehen mit. Willi Stift, Bundesvorsteher des Bekleidungshandels, hofft, dass sich für seine Branche noch ein kleines Plus ausgeht. Mit den Schleuderpreisen tue sie sich aber nichts Gutes. "Das geht vielen an die Substanz, vom Draufzahlen kann keiner leben." (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.12.2006)