Die Mikrowelle erobert nach den Küchen nun auch die Chemielabors: Chemische Prozesse können durch sie nämlich enorm beschleunigt werden. An der Universität Graz leistet Oliver Kappe seit fünf Jahren entsprechende Pionierarbeit im Bereich des Einsatzes von Mikrowellenenergie zur Durchführung chemischer Reaktionen. Das unter seiner Leitung im Sommer dieses Jahres eingerichtete Christian-Doppler-Labor für Mikrowellenchemie wird im Jänner 2007 offiziell eröffnet.

Seit einigen Jahren schon wird Mikrowellenenergie zur Durchführung chemischer Reaktionen verstärkt eingesetzt. Der Energieeintrag der elektromagnetischen Strahlung erfolgt dabei wesentlich schneller und effizienter als beim konventionellen Erhitzen. "Durch extrem hohe Temperaturen in Verbindung mit Druck lässt sich das Reaktionsgemisch pro Sekunde um bis zu zehn Grad Celsius erhitzen; jeder Temperaturanstieg um zehn Grad bedeutet wiederum eine Verdoppelung der Reaktionsgeschwindigkeit", beschreibt Kappe die Vorteile.

So können durch das rasche "direkte" Aufheizen eine große Anzahl an chemischen Prozessen dramatisch beschleunigt und höhere Produktausbeuten erzielt werden. "Das kann bedeuten, dass eine Reaktion statt mehrerer Tage nur mehr wenige Minuten dauert", sagt Kappe - ein Vorteil, den vor allem die Pharmaindustrie bisher zu schätzen wusste.

Theorie erforschen

Unterstützt durch Mittel des Grazer Unternehmens Anton Paar GmbH, das den größten Teil der industrieseitigen Finanzierung des Labors übernommen hat, wollen sich die Grazer Chemiker rund um Kappe der angewandten Grundlagenforschung zum Einsatz von Mikrowellen widmen.

Wie jedes Christian-Doppler-Labor ist auch das für Mikrowellenchemie für sieben Jahre bewilligt. Eine Verlängerung ist nicht möglich.

"Obwohl die Mikrowelle mittlerweile in fast jedes Labor Einzug gehalten hat, sind die theoretischen Grundlagen aber noch sehr wenig erforscht", erklärt Kappe einen Arbeitsbereich im Christian-Doppler-Labor.

Die Chemiker untersuchen die Prinzipien, die der "phänomenalen" Erhitzung zugrunde liegen, warum und wie sie funktioniert. Gleichzeitig soll die Frage beantwortet werden, ob durch Mikrowellen noch andere Effekte auftreten, wie zum Beispiel die Bildung alternativer Reaktionsprodukte.

Mit der Firma Anton Paar will man schließlich einen Reaktor entwickeln, mit dem größere Flüssigkeitsmengen als bisher erhitzt werden können, heißt es in einer Information des Grazer Unternehmens. Die Anton Paar GmbH entwickelt, produziert und vertreibt weltweit Mess- und Analysegeräte für den Einsatz im Labor und im Produktionsprozess. Die Aufmerksamkeit in der Kooperation mit dem Industriepartner piCHEM R&D gilt dem Einsatz von Mikrowellen in der Peptidsynthese. (APA, red/DER STANDARD, Printausgabe, 27. Dezember 2006)