Wien - Dass durch die Bilanzskandale der vergangenen Monate auch der Berufsstand der Wirtschafts- und Abschlussprüfer in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist "auch Schuld der Wirtschaftsprüfer", sagt Friedrich Spritzey, Partner der Unternehmensberatung Süd-Ost-Treuhand in Graz im Gespräch mit dem STANDARD. Denn ein Wirtschaftsprüfer sollte nicht nur beim Jahresabschluss in den Aufsichtsratssitzungen dabei sein, sondern bei allen Aufsichtsratssitzungen eine Präsenz- und Antwortpflicht haben. Dadurch könnten Auffälligkeiten früher ans Tageslicht gebracht beziehungsweise geklärt werden. "Werden wirtschaftliche Probleme erkannt, kann das Druck auf den Aufsichtsrat erzeugen, weil er handeln muss", sagt Spritzey.

Die Anwesenheit eines Wirtschaftsprüfers im Aufsichtsrat hat für Spritzey auch den Vorteil, dass dieser über Änderungen in der Gesetzeslage (Richtlinien, Verordnungen) Bescheid weiß und diese Informationen auch für das Aufsichtsgremium wichtig sein könnten.

Wechselt ein Wirtschaftsprüfer, so darf er dem Nachfolger keine Auskünfte über das Unternehmen geben. Spritzey: "Diese Verschwiegenheitspflicht sollte fallen." Denn zu wissen, welche "Schwachstellen" oder "Besonderheiten" es in einem Unternehmen gibt, hilft bei der Prüfung.

Der bisherige Prüfungsansatz - der Wirtschaftsprüfer muss einen Gesamteindruck vom Unternehmen abgeben - ist Spritzey ebenfalls ein Dorn im Auge. "Ein Wirtschaftsprüfer muss wissen, was für das jeweilige Unternehmen essenziell ist. Dort muss er seine Prüfung ansetzen." Das Unternehmen sollte innerhalb der Branche beurteilt werden können. Spezielle Branchen- oder Marktrisiken müssten berücksichtigt werden. Dieser risikoorientierte Prüfungsansatz fordere ein hohes Wissen über Gesamtzusammenhänge und hochqualifiziertes Personal. "Genau in diesem Bereich hat sich Wesentliches verändert."

Kürzere Ausbildung

Früher musste ein angehender Wirtschaftsprüfer erst die Prüfung als Steuerberater ablegen und drei Jahre in diesem Job tätig sein. Danach folgte die Prüfung zum Wirtschaftsprüfer und eine mehrjährige Berufspraxis. Jetzt reiche es, wenn man nach der Wirtschaftsprüfer-Ausbildung vier Jahre bei einem Wirtschaftsprüfer tätig ist. "Wichtige Teile der Praxis fallen dadurch weg und das geht zulasten der Qualität der Prüfer", so Spritzey. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.1.2007)