Oberwart – Alexander Benkö war überrascht. Und zwar von sich. Denn was da vor einem Jahr in ihm zum Vorschein gekommen ist, hatte er erst einmal gar nicht für sich selbst gehalten. Mag sein, dass der gelernte Schlosser, der dann als Werbegestalter gearbeitet hat, nie dazu gekommen ist, an so was zu denken. Mag aber auch sein, dass er sich allfällige Gedanken daran in den vergangenen anderthalb Jahren der ermüdenden Arbeitslosigkeit einfach abgewöhnt hat. Aber dann kam alles mit Wucht über ihn: Er ist eine richtige Rampensau.

"dorf.interrupted"

Schuld an der Selbsterkenntnis des Alexander Benkö war die AMS-Bezirksstelle im burgenländischen Oberwart und ihr Vizechef Horst Franz. Im November 2005 traf er "auf Mittag" Schriftsteller und Regisseur Peter Wagner, der erzählte ihm von einem Projekt, man vereinbarte einen Gesprächstermin, "14 Tage später ist die Sache gestanden".

"Die Sache" war das größte Einzelprojekt für Langzeitarbeitslose im Bezirk: Zwölf Personen erhielten über das AMS ein dreimonatiges Dienstverhältnis, in dem sie gemeinsam mit Wagner das Theaterstück "dorf.interrupted" der jungen Autorin Katharina Tiwald erarbeiteten und schließlich aufführten. Wagner bestand von Anfang an auf absoluter Freiwilligkeit. "Und das", sagt Horst Franz, "ist wohl auch ein Teil des Erfolges." Viele der in mancherlei Kursen Genervten rissen sich um den Job, Wagner ermittelte in einem Casting aus 70 Bewerbern die zwölf Mitwirkenden, zu denen dann noch drei weniger Geförderte stießen.

Vom Bühnenbild bis zu den Kostümen, von der Werbung bis zum Schauspiel lag alles in der Hand des Teams. Und innerhalb dieser drei Monate habe sich jeder von ihnen "einen Batzen Selbstbewusstsein" geholt, sagt Benkö, der sich so sehr als Mime entdeckt hat, dass er sich das durchaus weiterhin als Berufsweg vorstellen könnte. Frank Hoffmann, der Chef der Burgspiele im nahen Güssing, habe schon angeklopft, da sei aber leider eine Mandeloperation dazwischen gekommen. Eine Rolle in einem Wagner-Film sei absolviert, "jetzt arbeite ich an einem Kabarett-Programm". Freilich sei da, meint er, noch die Wirklichkeit, und die zwinge zur Entscheidung "zwischen Wunsch und Geld, man muss Realist bleiben". Deswegen hat er auch eine Ausbildung zum Pflegehelfer begonnen, "ein zukunftsreicher Job, wie man ja überall liest".

Die Lethargie der anderthalbjährigen Arbeitslosigkeit sei jedenfalls vorbei nach der Theatererfahrung, das Leben hat wieder greifbarere Dimensionen bekommen. Der 29-jährige sei, freut sich Horst Franz, kein Einzelfall. "Im Mai haben wir das Projekt evaluiert. Sieben der zwölf Mitwirkenden waren da nicht mehr arbeitslos." Danach hätten sich zwar einige wieder gemeldet. Allerdings mit einem entscheidenden Unterschied zu vorher: "Jetzt ist Dynamik und eine Perspektive da." Konkrete Ausbildungswünsche, wie bei Alexander Benkö etwa.

"Unglaubliche Sache"

Dass "die Sache" ein Erfolg geworden ist, sei "hauptsächlich ein Verdienst des Peter Wagner, der sozialpädagogisch Unglaubliches geleistet habe". Auch wenn man keinen Auftrag zur Kulturförderung habe, der schräge Zugang sei durchaus ein Weg für das AMS, sozusagen ein Alternativprogramm zum Kursalltag, gerade in einem extrem schwierigen regionalen Arbeitsmarkt wie Oberwart, wo knapp ein Drittel der Arbeitslosen länger als zwölf Monate keine Stelle findet. (Wolfgang Weisgram, Monika Bachhofer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.1.2007)