Krems/Wien – Vom NS-Kunstraub profitierten nicht nur die großen Museen in Wien, sondern auch kleine. Und man freute sich allerorts. Die Stadt Krems z.B. bedankte sich 1938 ganz artig, nachdem sie zwei Gemälde von Johann Martin Schmidt erhalten hatte: "Wir sind hoch entzückt von diesen herrlichen Bildern, welche dem Museum zur grössten Zierde gereichen wird (sic!) . Mit unserem Danke gestatten wir uns die herzliche Bitte zu verbinden, auch bei anderen Arisierungen von Kunstschätzen auf das Kremser Museum gütigst Rücksicht nehmen zu wollen und insbesondere es zu ermöglichen, dass das bekannte Familienbild M. J. Schmidts aus dem Besitze des Zuckerbondi (gemeint ist Oscar Bondy, Anm.) auch hierher kommt."

Die Kremser Schmidt-Gemälde stammten aus der Sammlung des Wiener Industriellen Richard Neumann, dem die Flucht nach Havanna geglückt war. Sie gingen aber nicht gleich in das Eigentum der Stadt Krems über, da es sich bloß um eine "Zuweisung" sichergestellten "jüdischen Kunstbesitzes" handelte. Aber das ließ sich leicht reparieren: Ohne Neumanns Einverständnis wurden 2000 Reichsmark, die man als angemessen erachtete, eingezahlt.

Neumann sah das Geld nie. Die Stadt Krems fühlt sich dennoch als Eigentümer. Selbst das Nichtigkeitsgesetz, nach dem eben dieses "Rechtsgeschäft" null und nichtig zu sein hätte, scheint in der Wachau unbekannt zu sein. Denn Bürgermeister Franz Hölzl behauptet laut Österreich auch heute noch: "Krems hat die Bilder damals gekauft."

Vier Jahre Vertröstung

Vor mehr als vier Jahren, im Oktober 2002, wandte sich der Wiener Anwalt Alfred Noll, der die Erben nach Neumann vertritt, das erste Mal an das Kremser Weinstadtmuseum, und danach an die Kulturverwaltung der Stadt. Die lapidare Antwort: Man werde die Gremien der Stadt mit der Angelegenheit befassen. Immer wieder bat Noll "höflichst" um Nachricht – und immer wieder wurde er vertröstet. Am 15. November 2005 teilte Franz Schönfellner, Leiter des Kulturamts, auf neuerliche Nachfrage lediglich mit, dass der Akt an die Rechtsabteilung zur "Prüfung und Bearbeitung" weitergeleitet wurde.

Und wieder ein Jahr später, am 4. Dezember 2006, antwortete er in der denkbar knappsten Variante, dass sich die Kommission für Provenienzforschung des Bundes auch mit den beiden Bildern von Kremser Schmidt befasst hätte. "Auf Grund der vorliegenden Stellungnahme der Kommission bestehen keine Rückforderungsansprüche hinsichtlich der beiden Objekte."

Diese Behauptung kann nur als dreist bezeichnet werden. Denn der letzte Satz des Dossiers lautet: "Die Objekte sind demnach klar dem Eigentum Richard Neumanns zuzuordnen." Die Kommission hatte sich mit dem Fall Neumann insgesamt beschäftigt. Es geht dabei in erster Linie um sechs Kunstwerke, die sich im Kunsthistorischen Museum befinden, darunter zwei äußerst wertvolle Altarflügel von Marten van Heemskerck.

Diese Tafeln hatte Neumann 1949 zurückgefordert. Im Jänner 1952 wurde das KHM zur Rückstellung verpflichtet. Doch dazu kam es nicht, denn das Denkmalamt verhängte eine Ausfuhrsperre: Neumann wurde zu einem Kuhhandel gezwungen. Er erhielt schließlich im Gegenzug für alle entzogenen Kunstwerke und die Erklärung, künftig auf alle Ansprüche zu verzichten, 3000 Dollar und ein Gemälde von Goosen van der Weyden, das er großzügigerweise ausführen durfte.

Der Rückgabebeirat folgte dennoch nicht der Argumentation der Historiker: Er empfahl, die sechs im KHM befindlichen Objekte nicht auszufolgen. Denn das Ausfuhrverbot sei "begründet" gewesen ...

Mit den Kremser Schmidt-Gemälden beschäftigte sich der Beirat nicht. Das Museum, so Werner Fürnsinn, Leiter der Provenienzforschungskommission, müsse selbst über den Sachverhalt entscheiden. Die Stadt Krems wurde bereits im Mai 2006 darüber unterrichtet. Der Bürgermeister behauptet dennoch, dass die einst "arisierten" Bilder "laut Restitutionsbericht" der Stadt gehören: "Würden wir sie hergeben, würde uns der Rechnungshof wegen Amtsmissbrauch kritisieren." Noll versteht die Welt nicht mehr. Sein Mandant, Neumann-Enkel Tom Selldorff, überlege, in den USA zu klagen. (Thomas Trenkler / DER STANDARD, Printausgabe, 03.01.2007)